»Die CDU ist maximal verlogen«

Sachsen-Anhalts Linke-Landeschef Stefan Gebhardt über den Streit um den Rundfunkstaatsvertrag

  • Max Zeising
  • Lesedauer: 4 Min.

Jüngst hat sich eine Mehrheit zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk bekannt. Dennoch ist der Rundfunkbeitrag umstritten. Wie oft erleben Sie Debatten zu diesem Thema in Bürgergesprächen?

Die erlebe ich relativ häufig. Da muss man aufklären, dass die Finanzierung des Rundfunks einem Solidarprinzip unterliegt. Wir haben die Rundfunk- und Pressefreiheit im Grundgesetz verankert, deshalb muss die Höhe der Beiträge immer staatsfern festgesetzt werden. Würde die Politik die Höhe der Beiträge bestimmen, hätten wir einen Staatsrundfunk und eine unerlaubte politische Einflussnahme.

Sollte die CDU bei der Landtagsabstimmung über den neuen Rundfunkstaatsvertrag gemeinsam mit der AfD stimmen: Wäre das vergleichbar mit dem Dammbruch in Thüringen, als CDU und AfD den FDP-Kandidaten Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten wählten?

Wir erleben seit längerem, dass AfD und CDU auch zum Thema öffentlich-rechtlicher Rundfunk eine gemeinsame Sprache sprechen. Beide Parteien verknüpfen Inhalte aus dem Programm, die ihnen nicht gefallen, mit der Beitragsfrage. Sie argumentieren: Programminhalte seien zu links, zu gesellschaftskritisch, zu satirisch überspitzt - und deshalb dürfe man die Beiträge nicht erhöhen. Das ist ganz klar eine unerlaubte Einmischung der Politik.

Die Situation in Sachsen-Anhalt ist festgefahren: Die CDU will eine Erhöhung verhindern, SPD und Grüne wollen den Staatsvertrag nicht gefährden. Lässt sich das Problem noch lösen?

Aus meiner Sicht so gut wie nicht. Die Diskussion ist sehr festgefahren. Und es ist schon bezeichnend, dass die CDU bei einer Erhöhung der Rundfunkgebühr um gerade mal 86 Cent pro Monat ihr Herz für die Beitragszahler entdeckt. Sämtlichen Gesetzentwürfen, die meine Fraktion eingebracht hat - zum Beispiel zur Abschaffung der Kita-Beiträge oder zur Abschaffung der Straßenausbaubeiträge rückwirkend für zwei Jahre - hat die CDU eine Abfuhr erteilt. Stattdessen will sie der Bevölkerung nun 86 Cent unter den Weihnachtsbaum legen.

Der Zankapfel ist die Auffassung von »Beitragsstabilität«. Hätte man das Wort gar nicht in den Koalitionsvertrag schreiben dürfen, weil man das aufgrund der staatsfernen Ermittlung nicht versprechen kann?

Es ist zumindest eine ungenaue Formulierung, weil sie jetzt unterschiedlich interpretiert wird. Ich denke aber, dass man den Beitrag schon stabil hält, wenn man mit einer Erhöhung nur die Inflation ausgleicht. Die Rundfunkanstalten haben dann nicht mehr Geld zum Ausgeben zur Verfügung, sondern müssen zusätzlich große Einsparungen vornehmen, um mit dem vorgesehenen Budget wirtschaften zu können.

Alle reden über Reformen im Rundfunk, dabei gilt weiterhin das Prinzip der Unabhängigkeit. Wie schwierig ist der Spagat?

Das ist immer ein Spagat. Aber letztendlich legt immer die Politik in einem Staatsvertrag fest, welchen Auftrag der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat. Aktuell hat sie einen Auftrag erteilt und muss dann auch für die Ausfinanzierung sorgen. Was sie aber nicht machen kann: erst die Rechnung bestellen und sie dann nicht bezahlen.

Ministerpräsident Reiner Haseloff schlug vor, den Vertrag neu zu verhandeln. Als Grund nannte er die Auswirkungen der Coronakrise. SPD und Grüne lehnten den Vorschlag ab. Allerdings spricht Haseloff doch eine bittere Wahrheit aus, oder?

Die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) sagt, dass - Stand jetzt - die Coronapandemie keine Auswirkungen diesbezüglich hat. Das muss ich so zur Kenntnis nehmen. Auf der anderen Seite ist die CDU maximal verlogen. Wir hatten im Landtag eine Diätenerhöhung um über 200 Euro, die aus unserer Sicht nicht nur in Coronazeiten schwer vermittelbar ist. Alle Fraktionen spenden ihre Erhöhungen und stellen dies auch transparent dar. Nur die CDU-Fraktion hat beschlossen, diese Spenden lediglich bis Ende 2020 zu tätigen. So, als wäre ab 1. Januar die Pandemie vorbei.

Kritik gibt es auch an den hohen Intendantengehältern.

Auch wir als Linksfraktion kritisieren die Höhe der Intendantengehälter. Diese werden aber nicht von der Politik beschlossen, wir haben bisher in keinem Staatsvertrag irgendeine Obergrenze stehen. Sie sind Sache der Verwaltungsräte. Dort sitzen gewisse Persönlichkeiten, viele mit CDU-Parteibuch. Ich würde der CDU raten, mal zum Parteitelefon zu greifen. Das wäre der kürzere Weg, anstatt jetzt das Parlament damit zu belasten, das hierüber gar nicht befinden kann.

Der ehemalige Innenminister Holger Stahlknecht hat das Verfahren zur Ermittlung des Rundfunkbeitrages generell angezweifelt. Muss man das Verfahren tatsächlich überdenken?

Herr Stahlknecht hat die unabhängige KEF extrem angegriffen und klar gesagt, was er will: dass CDU-Leute künftig über den Beitrag und das Programm bestimmen sollen. Das wäre lupenreiner CDU-Parteirundfunk!

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