- Berlin
- Armut in der Ausbildung
Azubis ohne Wohnung
Nur 26 Prozent der Auszubildenden leben in den eigenen vier Wänden
Der Ausbildungsmarkt sei wie der Arbeitsmarkt von der aktuellen Krise starkt betroffen, sagt Christian Hoßbach, Bezirksvorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) Berlin-Brandenburg. In Berlin sei das Minus an betrieblichen Ausbildungsplätzen größer als der Mangel an Bewerber*innen. »Die Schere zwischen Ausbildungsplätzen und Bewerber*innen ist größer geworden«, sagt Hoßbach am Dienstag bei der Vorstellung des Ausbildungsreports 2020 der DGB-Jugend Berlin-Brandenburg. »Es muss darum gehen, dass es für die Jüngeren kein verlorenes Jahr gibt«, so Hoßbach.
Laut Bericht ist die Zahl der betrieblichen Ausbildungsstellen von Oktober 2019 bis September 2020 um 1808 Stellen auf 14 109 gesunken, die Zahl der Ausbildungsplatzsuchenden bei Arbeitsagenturen und Jobcentern um 1448 auf 20 232. Ende September seien noch 3355 Jugendliche suchend gewesen bei 1626 unbesetzten Ausbildungsstellen. Insgesamt fehlen in Berlin also mindestens 1729 Stellen. In Brandenburg ist die Lage besser: »Hier ist der Ausbildungsmarkt bisher glimpflich davongekommen«, sagt Hoßbach. Es gebe zwar etwas weniger Ausbildungsplätze als im Vorjahr, allerdings auch weniger Bewerber*innen.
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Schwerpunkt des Berichts waren in diesem Jahr die Themen Wohnen und Mobilität. »Da gibt es ein strukturelles Problem«, sagt Hoßbach. »Beim Wohnen geht es darum, wie ich mein Leben eigenständig gestalten kann, und ob ich mich dementsprechend für eine Ausbildung entscheide oder nicht. Da liegt einiges im Argen«, so der Bezirksvorsitzende. Vor allem in Berlin sei es oft zu teuer, vom Ausbildungsgehalt eine eigene Wohnung zu finanzieren. Deshalb brauche es Landesprogramme für günstige Wohnheime speziell für Auszubildende, fordert Hoßbach. »Auszubildende fangen im Schnitt im Alter von 21 Jahren ihre Ausbildung an. In diesem Alter ist der Wunsch nach einer eigenen Wohnung groß«, so der DGB-Bezirksvorsitzende.
Doch Bedarf und Realität liegen hier weit auseinander: 65 Prozent der Befragten wünschen sich, in einer eigenen Wohnung zu wohnen, nur 26 Prozent der Befragten können dies auch. Genau umgekehrt sind die Prozentzahlen beim Wohnen in der Familie: 26 Prozent würden am liebsten mit den Eltern oder anderen Verwandten wohnen, 65 Prozent tun dies tatsächlich.
Von der Idee der Auszubildenden-Wohnheime zeigen sich die Befragten allerdings wenig begeistert: 88 Prozent können sich nicht vorstellen, in einem Wohnheim zu wohnen, so heißt es im Bericht. Christian Hoßbach hält das für ein Imageproblem: »Es müsste eher von Appartements als von Wohnheimen gesprochen werden. Den Befragten sind Privatsphäre und Rückzugsmöglichkeiten wichtig«, sagt er. Wichtig sei außerdem, dass die Miete nicht mehr als 25 Prozent der Ausbildungsvergütung ausmache.
Von den Auszubildenden, die in einer eigenen Wohnung wohnen, könne mehr als die Hälfte die Miete nicht ohne weitere finanzielle Unterstützung, zum Beispiel durch die Eltern oder Wohngeld, bezahlen, sagt Carolin Hasenpusch, Bezirksjugendsekretärin beim DGB Berlin-Brandenburg. Die bundesweite Mindestvergütung für Auszubildende, die in diesem Jahr in Kraft getreten ist, beträgt im ersten Ausbildungsjahr 515 Euro. In Berlin zahlen jedoch 24 Prozent der Befragten mehr als 600 Euro für die Kaltmiete, in Brandenburg sind es 14 Prozent, sagt Hasenpusch. Über die Hälfte der Befragten könne »weniger gut« oder »gar nicht« von ihrem Ausbildungsgehalt leben.
Beim Thema Mobilität schneidet hingegen Brandenburg schlechter ab: »32 Prozent der Befragten in Brandenburg beklagen, dass ihr Betrieb nicht gut mit den öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar ist«, sagt Hasenpusch. Deshalb fordert der DGB einen Ausbau des ÖPNV vor allem in den ländlichen Regionen. Außerdem liegen die Fahrtwege in Berlin und Brandenburg über dem Bundesdurchschnitt, so Hasenpusch.
Die Zufriedenheit der Auszubildenden mit ihrer Ausbildung sei wie in den Vorjahren recht hoch, sagt Astrid Oelpenich, Jugendbildungsreferentin beim DGB. 77 Prozent der Befragten seien »sehr zufrieden« oder »zufrieden«. Am besten bewerten Fachinformatiker*innen, Kaufleute und Köch*innen ihre Ausbildung, die geringste Zufriedenheit geben angehende Medizinische, Zahnmedizinische und Tiermedizinische Fachangestellte an. Die Befragungen seien vor Ausbruch der Pandemie durchgeführt worden, sagt Oelpenich.
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