Zerreißprobe bei der Ufo

Die Rücktrittsankündigung von Gewerkschaftschef Daniel Flohr dürfte interne Konflikte nicht befrieden

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.

Der amtierende Vorsitzende der Flugbegleitergewerkschaft Ufo, Daniel Flohr, hat seinen »geordneten Rückzug von der Gewerkschaftsspitze« angekündigt. Spätestens Ende Juni 2021 wolle er die Ufo verlassen, heißt es in einer Erklärung von Dienstag. Ein entsprechender Plan werde nun mit den Verantwortlichen ausgearbeitet, so die Verlautbarung. »Wir stehen wieder kurz vor einem internen Machtkampf, der sich unter anderem an meiner Person entzündet. Daher möchte ich dazu beitragen, dass Ufo sich wieder voll und ganz auf ihre Aufgaben konzentrieren kann«, so Flohr. Angesichts des massiven Arbeitsplatzabbaus im Lufthansakonzern könne sich die Gewerkschaft keine »internen Grabenkämpfe« leisten.

Beobachter sehen diese Ankündigung in Zusammenhang mit der massiven Kritik von Mitgliedern an der von Flohr und anderen zu verantwortenden Politik der Gewerkschaftsführung. »Ich glaube erst, was ich sehe«, sagt ein Ufo-Insider gegenüber »nd«. Denn die Ankündigung sei noch keine offizielle Rücktritts- und Austrittserklärung. Offenbar wollten Flohr und sein Team in der Vorweihnachtszeit den Kritikern Wind aus den Segeln nehmen.

Nach nd-Informationen waren in den vergangenen Wochen intern Forderungen nach einer Abwahl Flohrs laut geworden. Mehrere entsprechende Anträge seien gestellt worden, so der Insider. Um die Gefahr einer Amtsenthebung abzuwenden, sei eine Mitgliederversammlung mit Hybridcharakter, also einer Zuschaltung von Mitgliedern per Video, von der Führung »wegen Corona« kurzfristig abgesagt worden. Zudem gab es in den vergangenen Wochen mehrere Rücktritte von Vorstandsmitgliedern. Die freien Funktionen seien bis heute nicht wieder besetzt worden.

Die anhaltenden Konflikte machen sich auch an der Person von Ex-Geschäftsführer Nicoley Baublies fest. Er war über viele Jahre als führender Ufo-Kopf in Erscheinung getreten. Auf nd-Anfrage bezeichnete Baublies die aktuelle Zerreißprobe als Teil eines Richtungsstreits und Konflikts zwischen »verschiedenen Philosophien« im gewerkschaftlichen Tagesgeschäft. Während die einen mitunter als »schnelle Eingriffstruppe« auf rasches Handeln drängten, setzten andere auf »langes Ausdiskutieren«. Baublies hat sich inzwischen als Kommunikationstrainer selbstständig gemacht. Auch ohne formale Gewerkschaftsfunktion sei er noch »Teil der Ufo-Mannschaft«, betont er. Zu seinem persönlichen Status und Zukunftsplänen wollte er sich auf nd-Anfrage nicht äußern, denn alles sei »derzeit im Fluss«. Er widerspricht der offiziellen Darstellung, wonach Flohr spätestens bis Mitte 2021 die Ufo verlassen wolle. »Er wird die Organisation nicht verlassen«, so Baublies.

Was er als Aufeinanderprallen von »Philosophien« bezeichnet, dürfte auch ein Konflikt zwischen betrieblichen Interessenvertretern und dem Ufo-Apparat sein. So gibt es nach nd-Informationen unter Mitgliedern der Lufthansa-Personalvertretung Kabine eine zunehmende Entfremdung und Absetzbewegung von Ufo. Etliche Personalvertreter sehen sich von der Gewerkschaftsführung im Stich gelassen, bevormundet oder überfahren. Aus ihren Reihen häufen sich Klagen darüber, dass der im Sommer mit dem Lufthansa-Vorstand vereinbarte Kündigungsschutz lückenhaft ist und nicht das hält, was er auf dem Papier verspricht. Denn bei einer verschärften Krise und »hohem Personalüberhang« kann der Vorstand die Beschäftigungssicherung vorzeitig aufkündigen. Dies brachte Ufo den Vorwurf eines »Schmusekurses« mit dem Management ein.

Unterdessen bestätigte eine Lufthansa-Sprecherin auf nd-Anfrage, dass bis Jahresende 2020 rund 29 000 Stellen im Konzern weggefallen sein werden. Anfang 2020 zählte der Konzern weltweit noch 140 000 Beschäftigte. Die meisten Streichungen entfallen auf das Ausland. Zudem wurde vor wenigen Tagen der Verkauf des Bordcaterers LSG an die Gategroup endgültig abgewickelt. Offensichtlich haben die Lufthansachefs dem Drängen des Großaktionärs Heinz-Hermann Thiele nachgegeben, der im Herbst den Abbau von 30 000 Jobs verlangt hatte.

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