Team Biden: Alles gleich, aber bunter!

Das Regierungspersonal des neuen US-Präsidenten ist diverser als das von Trump, doch politisch wird sich nichts ändern, meint Loren Balhorn

  • Loren Balhorn
  • Lesedauer: 4 Min.

Auch wenn der noch amtierende Präsident es nicht wahrhaben will, ist Joseph R. Biden, Jr. als Sieger aus der US-Präsidentschaftswahl hervorgegangen. Trumps Anwälte können so viele Klagen anstrengen, wie sie wollen, er wird am 20. Januar das Weiße Haus räumen. Biden wiederum kündigt an: »America is back.«

Aber was für ein Amerika soll das werden? Im neunten Monat der Corona-Pandemie übernimmt Biden, neben den knapp 15 Millionen Infektionsfällen und fast 300.000 Toten, eine wirtschaftliche und soziale Krise historischen Ausmaßes. Millionen wurden arbeitslos und haben dadurch ihre Krankenversicherung verloren. Weitere zehn Millionen wissen nicht, ob sie im nächsten Monat die Miete bezahlen können. Das »amerikanische Gemetzel«, das Trump in seiner Antrittsrede zu beenden versprach, lässt nicht nach.

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Das Land braucht also das, was US-Amerikaner gerne »bold leadership« nennen: eine mutige Führung, die mit kühnen Schritten die Nation gemeinsam aus der Krise führt. Nimmt man Biden beim Wort, will er ein solcher Präsident sein. Im Wahlkampf schlug er immerhin hoffnungsvolle Töne an: Er wolle eine progressive Regierung bilden und die »strukturellen Ungleichheiten« der US-Gesellschaft konsequent angehen.

Aber Wahlkampf – sei es auch der »Wichtigste unseres Lebens«, wie viele Demokraten meinten – ist nun einmal Wahlkampf. Regieren, wie Barack Obama in seinen jüngst erschienen Memoiren klarstellt, folgt freilich anderen Maximen. Hier geht es nach Auffassung von Obama und Biden darum, möglichst Viele mitzunehmen, und »Politik zu machen«. Potenzielle Wähler mit radikal klingenden Forderungen abzuschrecken, sei dafür wenig hilfreich.

Diese Binsenweisheit scheint Biden von seinem ehemaligen Chef übernommen zu haben. In seinem neuen Kabinett umgibt er sich mit ehemaligen Obama- und Clinton-Beratern. Er setzt klar auf Kontinuität zu seinen Vorgängern und redet immer weniger von den großen politischen Würfen, mit denen er im Wahlkampf flirtete.

Von Biden und seinen Anhängern im Kommentariat kommt jedoch die aufregende Botschaft, dass sein Regierungsstab das »diverseste« in der US-Geschichte sei. Nie zuvor haben so viele Frauen und nicht-weiße Menschen einen Präsidenten beraten. Nie zuvor stand eine schwarze Frau mit Doktorabschluss an seiner Seite.

In der Tat ist Bidens Kabinett um einiges diverser – und zweifellos fachlich kompetenter – als das Gruselkabinett von Trump. Janet Yellen, designierte Finanzministerin, war Vize-Chefin der Federal Reserve während der letzten großen Wirtschaftskrise und federführend an der Bankenrettung tätig. Der neue Chef des Nationalen Wirtschaftsrats, Brian Deese, war unter Obama maßgeblich beteiligt an der Rettung der Autoindustrie 2009. Später wechselte er in die Wirtschaft und ist inzwischen verantwortlich für »nachhaltiges Investieren« bei BlackRock, dem weltweit größte Vermögensverwalter.

Cedric Richmond, ein afro-amerikanischer Abgeordneter aus Louisiana, soll als einer von zwei designierten Spitzenberatern Bidens werden und dessen Agenda hinsichtlich Klimawandel und Pandemiebekämpfung stärken. Richmond selber erhielt jahrelang großzügige Spenden von der Öl- und Gaslobby und drückte ein Auge zu bei lebensbedrohlicher Luftverschmutzung in seinem Wahlkreis, wie der »Guardian« 2019 aufdeckte.

Für großes Aufsehen in der liberalen Presse sorgt diese Tage auch die Nominierung von Michele Flournoy als erste Verteidigungsministerin der US-Geschichte. Schon ein Jahr vor dem Irak-Krieg sprach sie sich für Präventivschläge gegen Saddam Hussein aus. Zwischen mehreren Karrierestopps im Pentagon gründete sie das »Center for a New American Security«, ein Strategie-Thinktank, der überwiegend von Waffenherstellern finanziert wird.

Außerdem will Biden laut Medienberichten die China-Expertin Katherine Tai zur Handelsbeauftragten der Vereinigten Staaten machen. Sie wäre die erste asiatischstämmige Vertreterin in seiner Regierungsmannschaft.

Nach einer gewissen Orientierungslosigkeit nach der Wahlschlappe 2016 und der erneuten Herausforderung von Bernie Sanders 2019 scheinen sich die US-Demokraten auf eine neue Strategie geeinigt zu haben. Sie lautet: Politisch wird sich nichts ändern, aber die Menschen, die diese Politik nach außen vertreten und nach innen umsetzen, werden deutlich mehr vom Bild des reichen weißen Mannes abweichen.

Letztendlich bleibt in Bidens diversen Ensemble nur ein Teil seiner Wählerkoalition auffallend unterrepräsentiert: die Linke. Die gleiche Politik, die vor vier Jahren in der Wahl von Donald Trump mündete, wird fortgeführt. Sie wird jedoch kaum in der Lage sein, die tiefen sozialen Spaltungen im Land zu überwinden. Im schlimmsten Fall könnte sie zu einem neuen Trump in vier oder acht Jahren führen. Ob sich Menschen dann noch Trost in der Diversität von Bidens Kabinett finden werden, ist fraglich.

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