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Die erste Chance verspielt
Kein Umdenken: Der Profifußball macht auch in der Krise weiter wie bisher
Helen Breit lacht. Aber es ist ihr ganz und gar ernst. »Hoffnung ist gerade ein schwieriger Begriff«, sagt sie. Die 33-jährige Freiburgerin ist Vorsitzende der bundesweiten Fanorganisation »Unsere Kurve« - und seit Montag noch etwas desillusionierter. »Mit der Verteilung des Fernsehgeldes hätte die DFL das erste Mal seit diesen vielen Worten der Demut, Solidarität und Selbstkritik zeigen können, ob sie bereit ist, mutige Schritte in die Zukunft zu gehen. Das hat sie nicht gemacht«, sagt Breit im Gespräch mit »nd«.
Neue Wege hat die Deutsche Fußball-Liga mit der Entscheidung über die Verteilung der Medienerlöse für die kommenden vier Spielzeiten wahrlich nicht beschritten - trotz all der Klagen über das nahende Ende des Profifußballs und Reformversprechen seit Beginn der Coronakrise. Das neue Modell mit den vier Säulen »Gleichverteilung«, »Leistung«, »Nachwuchs« und »Interesse«, mit dem jährlich mehr als eine Milliarde Euro an die 36 Klubs der ersten und zweiten Bundesliga verteilt werden, ist nur eine wohlformulierte Beibehaltung bestehender Verhältnisse. Nach dem alten Modell bekamen Bayern München und Borussia Dortmund 429 Millionen Euro pro Saison - und damit 31 Prozent. Nun werden es 29,5 Prozent. So ist es folgerichtig, dass nur diese beiden Vereine in den vergangenen elf Jahren den Meistertitel gewinnen konnten. Wie ungleich die Verteilung ist, zeigt, dass der FC Bayern das fünffache vom Ligakonkurrenten SC Freiburg bekommt.
Sucht der Profifußball überhaupt neue Wege? Erste Antworten bringen die Reaktionen der Vereinsvertreter auf die Entscheidung vom Montag. Für die Spitzenklubs sei es schon ein schmerzhafter Kompromiss, dass nun 53 Prozent der Medienerlöse unter den Bundesligisten gleich verteilt werden, gab Borussia Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke preis. Die Antwort lautet also: Nein. »Wir können und müssen mit dem Ergebnis zufrieden sein«, sagte Martin Hornberger. Das Warum schob der Geschäftsführer des SC Paderborn gleich hinterher: »Unsere prozentuale Beteiligung an den TV-Geldern wird sich nicht stark verbessern, aber vor allem auch nicht verschlechtern.« Als überdurchschnittlich gut bedachter Zweitligist ging es dem Verein wohl auch nur um Besitzstandwahrung. Paderborn bekam in dieser Saison 31 Millionen Euro von den Medienerlösen, Ligakonkurrent Erzgebirge Aue nur neun Millionen.
Diese erwartbare aber dennoch ernüchternde Entwicklung missfällt vielen. Auch Andreas Rettig. »Die DFL ist nur noch ein Vermarktungsverband«, meint der ehemalige Geschäftsführer der Deutschen Fußball-Liga. Die Solidarität habe sich leider verschoben. »Früher war der FC Bayern solidarisch mit Bochum und Bielefeld, heute mit Manchester United und Juventus Turin«, sagt Rettig.
»Grundsätzlich hat kein Richtungswechsel stattgefunden«, meint Helen Breit. Aber die Fanvertreterin kritisiert nicht nur, sondern bringt Ideen ein. »Die vorgeschlagene Effizienzquote hätte viel gebracht. Also: Wie werden Mittel eingesetzt, die zur Verfügung stehen und welchen Erfolg habe ich damit. Jetzt ist es so: Wer den wirtschaftlichen Wettbewerb gewinnt, ist auch fast automatisch der Beste im sportlichen Bereich.« Ihr geht es um »Nachhaltigkeit, den sinnvollen Umgang mit Geld und Ressourcen«. Solche Konzepte entwickelt sie im vereinsübergreifenden Fanprojekt »Zukunft Profifußball«. Dem der Fanseite oft vorgehaltenen Vorwurf, das Leistungsprinzip zu ignorieren, widerspricht Breit: »Niemand will den Leistungsgedanken abschaffen. Gleichverteilung unabhängig von Leistung ist im Sport nicht folgerichtig. Es geht darum, unter welchen Bedingungen jemand wie erfolgreich ist.« Auch die Jugendförderung, in der Säule »Nachwuchs« nur mit drei Prozent des Gesamterlöses veranschlagt, hätte Breit gerne viel stärker honoriert gesehen.
Wie wenig ausgeprägt der Wille zu Reformen bei den Klubs ist, zeigt einerseits die Tatsache, dass sie die Macht dafür hätten. Das Modell zur Verteilung der Medienerlöse wurde zwar vom Präsidium der DFL erarbeitet und vorgeschlagen. Die 36 Erst- und Zweitligisten hätten es aber nicht annehmen müssen - denn der Ligaverband ist eine Vereinigung der Klubs. Ein anderer Fakt belegt, wie krank das System Profifußball ist. Die Klagen über Millionenverluste durch die Coronakrise sind noch immer laut, einer der größten Kritikpunkte - die horrenden Spielergehälter - bleibt trotz aller Besserungsbeteuerungen wohl aus Angst vor Wettbewerbsnachteilen unangetastet. Selbst in der größten Not: Zwölf Erstligisten fordern derzeit keinen Gehaltsverzicht von ihren Profis.
Da kann man die Hoffnung schon verlieren. Helen Breit gibt noch nicht auf. Sie sitzt mit fünf anderen Fanvertretern in der 35-köpfigen DFL-Task-Force »Zukunft Profifußball«. Nach der verspielten Chance bei der Neuverteilung der Medienerlöse fordert sie: »Die DFL und die Vereine sind damit jetzt noch viel mehr herausgefordert, wirklich was Substanzielles aus den Empfehlungen zu machen, die Ende Dezember aus der Task Force kommen. Sonst bleiben nur noch leere Worte.« Und Breit erwartet, »dass diese Empfehlungen der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden, damit jeder einen Einblick haben kann und es transparent ist, was daraus gemacht wird.« Immerhin berichtet Breit von »sehr, sehr konstruktiven Gesprächen«.
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