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Barrikaden und Spenden für das »Rote Haus« in Portland
Eine Schwarz-Indigene Familie soll ein Haus räumen, Aktivisten halfen mit einer Wache und Barrikaden - nun könnte eine Spendensammlung helfen
Sirenengeheul und brüllende Aktivisten, die Polizisten und ein Polizeiauto im Rückwärtsgang attackieren und aus einer Straße drängen - das zeigt ein Video auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. »Das passiert, wenn die Polizei von Portland versucht, mitten in einer Pandemie einen Räumungstitel zu übergeben«, so kommentiert der Aktivist, der das tausendfach geteilte Video online gestellt hat. Was war passiert?
Seit Tagen stehen sich Aktivisten und die Polizei im Norden der US-Pazifikküstenstadt Portland in der North Mississipi Avenue gegenüber. Die einen wollen das Haus einer Schwarz-Indigenen Familie verteidigen - und tun dies auch militant -, die anderen haben vom Bürgermeister die Autorisierung erhalten »alle legalen Mittel« einzusetzen, um das Privateigentum von Investoren zu schützen.
Die Stadt ist als Hort des linken Aktivismus bekannt, wochenlang lieferten sich linke Demonstranten im Anschluss an Black-Lives-Matter-Proteste diesen Sommer und Herbst Auseinandersetzungen mit der lokalen Polizei und Sicherheitskräften der US-Regierung. Seit Tagen eskaliert nun offenbar eine neue Auseinandersetzung, die im Land zum Symbol für Gentrifizierung und Vertreibung in Pandemiezeiten geworden ist.
Hunderte Demonstranten versammelten sich in den letzten Tagen in Portland in der North Mississippi Avenue, um einer schwarzen Familie, die seit 65 Jahren das Haus bewohnt, beizustehen. Bürgermeister Ted Wheeler jedoch stellte klar, die »illegale Besetzung« müsse beendet werden und das er »keine autonome Zone in Portland« dulden werde. Gemeint war die wochenlange Besetzung und Selbstverwaltung eines Straßenzuges in Seattle in diesem Herbst.
Die betroffene Familie hatte das mittlerweile als »Rote Haus« bekannte Gebäude im Zuge dubioser legaler Schachzüge von Immobilieninvestoren im Zuge einer Zwangsversteigerung 2018 verloren. Historisch und auch heute noch waren vor allem Afroamerikaner von diskriminierenden Kreditvergabepraktiken betroffen, die Familie selbst sieht sich als Opfer dieses Systems mit vor Jahrzehnten die Segregation auch im Norden der USA durchgesetzt wurde und weiße Mittelschichtsfamilien bei der Immobilienfinanzierung und sonstigen Bankangelegenheiten vorteilhaft behandelt wurden und werden.
Die Kinneys versuchten sich juristisch vor Bundesgerichten bis zum US Supreme Court gegen die Zwangsversteigerung zu wehren. Im September wurde die Räumung des Hauses von einem Lokalgericht angeordnet. Seitdem hatten Aktivisten rund um die Uhr Wache zu halten, um dies zu verhindern und zuletzt auch den Straßenzug vor dem Haus mit Barrikaden gesperrt.
Der neue Besitzer, ein ukrainisch-stämmiger Kleininvestor, der sich nun zahlreichen Anfeindungen ausgesetzt sieht, hat sich laut Berichten in der Lokalpresse bereit erklärt, der Familie das Haus zurück zu verkaufen. An einer virtuellen Spendensammlung von Aktivisten zu diesem Zweck, Stand Sonntagnachmittag, beteiligten sich 5900 Spender, die 308.000 Dollar gaben – rund 260.000 Dollar hatte Roman Ozeruga, Mit-Besitzer von Urban Housing Development LLC für das Haus bei der Zwangsversteigerung bezahlt. Er will aber auch die Notarkosten und Bank- und sonstige Gebühren zurückerstattet bekommen, also geht die Spendensammlung weiter. Der Kampf um das »Rote Haus« könnte also ein gutes Ende finden.
»Wir können nicht jedes bedrohte Haus kaufen, aber das Momentum hinter der Spendenaktion zeigt, aber zu kämpfen lohnt sich, es eröffnet neue Möglichkeiten«, so kommentierte die linksautonome Gruppe »CrimethInc.« die Vorgänge in Portland. In den meisten anderen Fällen dürfte das Ende der Geschichte weniger positiv sein. In vielen US-Bundessstaaten laufen Ende Dezember Räumungsmoratorien aufgrund der Coronakrise aus. Millionen Menschen, die mit der Miete wegen unverschuldeter Pandemie-Arbeitslosigkeit im Rückstand sind, droht dann die Räumung. Laut Zahlen des Eviction Lab der Princeton University haben Eigentümer aktuell alleine in 25 Großstädten mehr als 150.000 Räumungsklagen angestrengt.
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