- Wirtschaft und Umwelt
- Börsengang
Investoren wetten auf Airbnb
Nach erfolgreichem Börsenstart will der Ferienwohnungsvermittler vom Homeoffice-Trend profitieren
Die Tourismusbranche liegt wegen der staatlichen Pandemie-Maßnahmen praktisch weltweit am Boden und schaut pessimistisch in die nähere Zukunft. Die ganze Branche? Traut man der Einschätzung der Finanzmarktakteure, gibt es mindestens eine Ausnahme: Der Onlinevermittler von Ferienwohnungen, Airbnb, hat gerade einen äußerst erfolgreichen Börsengang hingelegt. An der New Yorker Technologiebörse Nasdaq ging die Aktie am Donnerstag mit einem ersten Kurs von 146 Dollar in den Handel - bei einem Ausgabepreis von 68 Dollar. Der Gesamtwert von Airbnb landete damit an der Marke von 100 Milliarden. Bis zum Wochenende ging es deutlich ruhiger weiter, und der Kurs blieb auf sehr hohem Niveau.
Der Börsengang des Unternehmens aus San Francisco birgt weitere Überraschungen. Es ist selten, dass ein Start-up nur zwölf Jahre nach der Gründung bereits dermaßen hoch an der Börse bewertet wird. Auch dass der wenige Monate vor der Coronakrise angekündigte Börsengang in diesem Jahr überhaupt gelang, war nicht selbstverständlich. Bei einer außerbörslichen Kapitalbeschaffungsrunde Anfang April wurde die Aktie nur auf 30 Dollar taxiert. Damals waren die Buchungen auf wichtigen Märkten wegen der Reise- und anderen Verbote um 90 Prozent eingebrochen. Airbnb steckte 250 Millionen Dollar in einen Fonds zur Unterstützung von Vermietern, die von Stornierungen betroffen waren. Darüber hinaus warnte das Unternehmen im Börsenprospekt: »Wir werden möglicherweise nie in der Lage sein, Profitabilität zu erreichen.«
Hinzu kommt ein schlechtes Image: Viele Städte werfen Airbnb vor, für Wohnungsknappheit und steigende Mieten mitverantwortlich zu sein. Mancherorts ist das Geschäft eingeschränkt worden, um den lokalen Wohnungsmarkt zu entlasten. In der Pandemie gab es zudem Vorwürfe, das Unternehmen umgehe Coronabeschränkungen.
Nichtsdestotrotz: Das Interesse von Investoren war so groß, dass der Ausgabepreis der Aktie im Vorfeld des Börsengangs mehrmals deutlich angehoben wurde. Die Airbnb-Chefs reagierten auf die Entwicklung nämlich so, wie es Börsianern meistens gefällt: mit drastischen Kostensenkungsmaßnahmen, genauer gesagt mit Personalabbau. So wurde etwa jeder vierte der insgesamt 7500 Arbeitsplätze weltweit abgebaut. Doch auch geschäftlich ging es wieder aufwärts: Im gerade abgelaufenen Quartal verzeichnete Airbnb, was bisher selten war, schwarze Zahlen und machte 219 Millionen Dollar Gewinn. Viele Menschen wollten trotz Corona zumindest mit dem Auto verreisen, aber volle Hotels meiden - der Trend ging zu Ferienwohnungen. »Die Pandemie hat die Resilienz und Anpassungsfähigkeit unseres Geschäftsmodells bewiesen«, sagte Airbnb-Mitgründer Nate Blecharczyk dem »Handelsblatt«. »Unser Geschäftsmodell heilt sich selbst.«
Airbnb hat auch neue Ideen, zu deren Realisierung die Einnahmen aus dem Börsengang von 3,5 Milliarden Dollar gebraucht werden. Laut Blecharczyk eröffnet der Trend zum Homeoffice Geschäftsmodelle mit längerfristigen Vermietungen und womöglich neuen Kundenkreisen. So könnten junge Menschen alle paar Monate in eine andere Stadt ziehen, ohne den Job zu wechseln.
Der Börsenerfolg stärkt Airbnb natürlich. Firmenchef Brian Chesky kündigte bereits an: »Wir wissen, dass wir eine lange Reise vor uns haben. Je höher der Aktienpreis, desto höher die Erwartungen, desto härter werden wir arbeiten.« Eine Aussage, die Lokalpolitiker vielerorts Stirnrunzeln bereitet.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.