- Wirtschaft und Umwelt
- Fahrplanwechsel
Gemächliche Jagd nach der Bestzeit
Der Fahrplanwechsel bringt im Personenfernverkehr der Bahn lediglich punktuelle Verbesserungen
Bundesweit haben die Deutsche Bahn (DB) sowie die für den Regional- und Nahverkehr zuständigen Verkehrsverbünde am Sonntag den alljährlichen großen Fahrplanwechsel vollzogen. Er bringt für die Nutzer von Bahnen und Bussen neben der Fortsetzung gewohnter Verbindungen auch eine Menge von Angebotsänderungen mit dichteren Takten, zusätzlichen Strecken und neuen Linien.
Die wichtigen Fortschritte im Schienenfernverkehr mit deutlich mehr Zugangeboten konzentrieren sich vor allem auf die Achsen Hamburg-Berlin, Köln-Berlin und München-Zürich. Dabei springt die Ausweitung zwischen Hamburg und Berlin besonders ins Auge. Nach DB-Angaben nimmt zwischen den beiden größten deutschen Metropolen die Anzahl der Direktverbindungen von bisher 46 auf bis zu 60 Züge täglich zu. »Damit stehen 6000 zusätzliche Sitzplätze für die Fahrt von der Elbe an die Spree zur Verfügung«, verkündet die Bahnzentrale in Berlin. »Wir starten hier erstmals einen Halbstundentakt und geben unseren Kunden damit einen Vorgeschmack auf den Deutschlandtakt«, freut sich DB-Fernverkehrschef Michael Peterson.
Mit dem Fahrplanwechsel soll der Bahnverkehr auch leiser werden. Nunmehr gilt nämlich ein Verbot lauter Güterwagen. Zulässig sind nur noch Wagen mit modernen und leiseren »Flüsterbremsen«. Durch die Umstellung der Bremssohlen werden die Oberflächen der Waggonräder nicht mehr aufgeraut, was zu einem deutlich leiseren Rollgeräusch führt. Deutschland ist damit Vorreiter in der EU, wo dies 2024 verbindlich wird.
»Für viele Anwohner von Schienenstrecken führt dies zu einer spürbaren Erleichterung, vor allem nachts beim Schlafen«, meint Dirk Flege, Geschäftsführer der Allianz pro Schiene. Er spricht von einem »Meilenstein für den Lärmschutz im Verkehr«.
Anwohner vielbefahrener Güterbahnstrecken befürchten trotzdem weiter extremen Lärm, da vorerst keine Bußgelder verhängt werden. »Bei uns werden zunächst weiterhin laute Schrottkisten unterwegs sein«, kritisiert der Vorsitzende der Bürgerinitiative im Mittelrheintal, Willi Pusch. Erst habe Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) großspurig Bußgelder von bis 50 000 Euro angedroht - und dann um ein Jahr verschoben. nd
Deutschlandtakt bedeutet, dass auf der Grundlage eines »integralen Taktfahrplans« alle großen Bahnhöfe derart gut miteinander verbunden werden, dass Reisende ohne lange Wartezeiten alle 60 oder gar 30 Minuten umsteigen können. Mit dieser Strategie nach Schweizer Vorbild wollen Bahnchefs und Politik bis 2030 das Fahrgastaufkommen auf der Schiene verdoppeln. Die Fahrplanverdichtung zwischen Hamburg und Berlin ist allerdings nur ein zaghafter Schritt in diese Richtung. Denn auf dieser Strecke gibt es anders als etwa zwischen Zürich und Genf in der Schweiz trotz deutlicher Ausweitung noch keinen durchgehenden Halbstundentakt. Daher spricht der Bundestagsabgeordnete Matthias Gastel (Grüne) von einem »verschobenen Stolpertakt, bei dem die Fahrzeiten variieren«. Zudem sei man von der nach Abschluss des Streckenausbaus 2004 verkündeten »Bestzeit« von 90 Minuten zwischen den Hauptbahnhöfen der beiden Großstädte »auch nach 16 Jahren weit entfernt«, bemängelt Gastel. Tatsächlich legen die Züge die Strecke nach nd-Informationen in bestenfalls 103 Minuten zurück.
Zu den Neuerungen im DB-Fernverkehr gehört die schnellere grenzüberschreitende Verbindung zwischen München und Zürich. Hier verkehrten bisher relativ langsame Eurocity-Züge, die von der Isar bis zum Grenzbahnhof Lindau am Bodensee mit Dieselloks bespannt waren und erst danach von Elek-troloks gezogen wurden. Mit der Elektrifizierung des Abschnitts von Geltendorf über Memmingen nach Lindau können nunmehr durchgehend moderne Neigetechnikzüge der Schweizer Staatsbahn SBB als EuroCity-Express eingesetzt werden, wie sie zwischen Zürich und Mailand längst im Einsatz sind.
Gleichzeitig wurde am Sonntag in Lindau-Reutin ein neuer Durchgangsbahnhof eröffnet, den diese Fernzüge ebenso wie etliche Regionalzüge anfahren. Der zeitraubende Lok- und Richtungswechsel entfällt damit endgültig. Die Reisezeit zwischen München und Zürich verkürzt sich um 45 Minuten auf rund vier Stunden und soll laut DB ab Ende 2021 nur noch dreieinhalb Stunden betragen. Statt bisher vier Zügen verkehren seit Sonntag sechs Züge täglich in jede Richtung. Mit diesen Verbesserungen könnten viele Reisende zwischen beiden Metropolen zum Umsteigen vom Flugzeug auf die Schiene bewegt werden, hoffen die DB-Chefs.
Doch wo Bahnmanager Licht sehen, da entdecken kritische Beobachter viel Schatten. Denn der Fortschritt im grenzüberschreitenden Fernverkehr bringt für Bahnreisende aus dem südwestlichen Bayern in Richtung München auch Erschwernisse mit sich. So verlängert sich die Fahrzeit etlicher Regionalexpresszüge im Allgäu. Grund ist ein verlängerter Aufenthalt im Bahnhof Buchloe, wo der Regionalexpress von dem schnelleren EuroCity-Express überholt wird. Wer in diesen Zug umsteigen will, um zur gewohnten Zeit in München anzukommen, muss dafür aber oftmals tiefer in die Tasche greifen.
Über eine derart strikte Trennung zwischen Fern- und Nahverkehr schüttelt man im Bahnland Schweiz nur den Kopf. Zudem lässt die Elektrifizierung eines Großteils der Bahnstrecken im Allgäu weiter auf sich warten. Während der Elektrifizierungsgrad in der Schweiz bei annähernd 100 Prozent liegt, beträgt er deutschlandweit deutlich weniger als zwei Drittel des Eisenbahnnetzes.
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