An der Vergangenheit gescheitert
Die deutschen Handballerinnen haben bei der EM ihr Halbfinalziel verpasst - weil für entsprechende Erfolge die Voraussetzungen fehlen
Nach dem vorzeitigen EM-Aus begleitete Deutschlands enttäuschte Handballerinnen auf dem Rückflug am Mittwochmorgen die bittere Erkenntnis, längst nicht reif für eine Medaille zu sein. »Bei den Großturnieren wird deutlich, wo unsere Grenzen sind. Wir sind noch nicht so weit, wie wir gehofft hatten und nicht wirklich vorangekommen«, resümierte Bundestrainer Henk Groener. Und Axel Kromer, Sportvorstand des Deutschen Handballbundes (DHB), befand: »Wir können nicht von einer gelungenen Europameisterschaft sprechen.«
Die 20:23-Niederlage im letzten Hauptrundenspiel gegen Senkrechtstarter Kroatien, der nun mit Titelverteidiger Frankreich, Rekordchampion Norwegen und Gastgeber Dänemark um die Medaillen spielt, führte den DHB-Frauen die größten Defizite brutal vor Augen. Wenn es um alles geht, sind sie dem Druck nicht gewachsen und zeigen vor allem beim Abschluss eklatante Schwächen. »Das ist auch eine Frage der Qualität. Wir haben zu viele Spielerinnen, die nicht täglich auf dem Niveau trainieren und spielen, mit dem sie bei einer EM oder WM konfrontiert werden«, stellte Groener fest und forderte für die Zukunft: »Wenn wir um die Medaillen spielen wollen, brauchen wir eine Mannschaft, die voll professionell arbeitet.«
Das ist unter den in Deutschland gegebenen Bedingungen derzeit nur schwer möglich. »Wir können selbst mit dem besten Trainer der Welt nicht in kürzerer Zeit die Dinge lösen, die 20 Jahre etwas stiefmütterlich behandelt wurden«, sagte DHB-Präsident Andreas Michelmann. »Wir müssen jetzt endlich unsere Strukturen so ändern, dass wir mittel- und langfristig erfolgreich sind. Unser großes Ziel ist die Heim-WM 2025. Bis dahin haben wir eine ganze Reihe an Baustellen, an denen wir zu arbeiten haben.« Das Amt des Bundestrainers nahm der DHB-Boss davon ausdrücklich aus. »Wir haben einen exzellenten Trainer - sowohl, was das menschliche Format anbelangt, als auch das fachliche Können«, stellte Michelmann eine Jobgarantie für Groener aus. Der Deutsche Handballbund hatte den Vertrag mit dem 60 Jahre alten Niederländer im Vorjahr bis zum 31. Dezember 2021 verlängert.
Zusätzlich erschwert wird der steinige Weg in die Weltspitze durch die Coronakrise, die eine gezielte Arbeit in diesem Jahr gar nicht zuließ. »Wir haben das Niveau gehalten, aber keinen Schritt vorwärts gemacht«, sagte Groener. Eine Rückkehr zur Normalität ist aufgrund der anhaltenden Pandemie derzeit nicht in Sicht, was seine Aufgabe in Vorbereitung auf die Weltmeisterschaft im Dezember 2021 zusätzlich erschwert. Bei den Olympischen Spielen in Tokio sind die DHB-Frauen nur Zaungast.
Weil die Einflussmöglichkeiten in diesen besonderen Zeiten noch geringer sind als sonst, will der Bundestrainer seine Schützlinge noch stärker in die Eigenverantwortung nehmen. »Es ist schwierig, den Vereinstrainern vorzuschreiben, was sie trainieren sollen. Jede Spielerin muss selbst an ihren Stärken und Schwächen arbeiten«, forderte er und betonte: »Wir werden sehen, wer daran wächst und wer nicht.« dpa/nd
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