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Krankenhäuser wegen Corona am Limit
Wirbel um Äußerungen zu »Triage« in Zittau / Landesregierung erwägt laut Berichten Abriegelung besonders betroffener Ortschaften
Sächsische Krankenhäuser kommen bei der Behandlung von Corona-Patienten an Grenzen. In den Dresdner Kliniken sind die Betten auf den Intensivstationen laut Gesundheitsamte allesamt belegt. Auf Normalstationen seien 91 Prozent der Betten für Covid-19-Patienten voll. Insgesamt lagen im Land laut Sozialministerium am Donnerstag 3226 Menschen wegen Corona im Krankenhaus, davon 610 auf Intensivstationen. Das bundesweite Intensivregister meldete für Sachsen 571 auf Intensivstationen behandelte Corona-Patienten, von denen 53 Prozent beatmet werden mussten. Insgesamt seien im Freistaat 1330 Intensivbetten belegt und nur noch 186 frei.
Zuletzt hatten Äußerungen aus Zittau bundesweit für Wirbel gesorgt. Der ärztliche Direktor des dortigen Klinikums Oberlausitzer Bergland (KOB), Mathias Mengel, soll in einem Online-Bürgerforum von bereits notwendiger »Triage« gesprochen haben. Darunter versteht man die Abwägung, welche Patienten in einer Notlage noch behandelt werden und welche nicht mehr. Darüber hatte zuerst ein Reporter des Deutschlandfunks auf Twitter berichtet. Laut dem Nachrichtenportal t-online.de ergänzte Mengel, man habe mehrfach entscheiden müssen, »wer Sauerstoff bekommt und wer nicht«. Zittaus Oberbürgermeister Thomas Zenker, der am Forum teilnahm, bestätigte die Aussagen. Wegen der hohen Belastung der Intensivstationen müssten »schwere Abwägungen getroffen werden, wie wem geholfen werden kann«, erklärte er. Die Äußerung des Arztes sei »sicher schockierend« gewesen.
Klinikum und Behörden relativierten die Aussagen indes. Es sei bisher kein Patient gestorben, weil ihm infolge einer Triage kein Intensivplatz zur Verfügung gestanden habe oder eine Sauerstoffgabe unmöglich war, zitierte die »Sächsische Zeitung« eine KOB-Sprecherin. Tatsächlich bezog sich der Mediziner wohl auf die Abwägung, welche Patienten in andere Häuser verlegt werden. Das ist nach Angaben der Vereinigung der Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) weiter möglich, auch im Fall einer möglichen regionalen Überlastung. Es gebe »aktuell auch noch freie Intensivbetten in Sachsen«, sagte Christian Kleber, Koordinator für die Verteilung von Corona-Patienten im Freistaat.
Zenker sagte jedoch, »der Eindruck, dass die Leistungsgrenze bereits überschritten ist«, sei »nicht zu korrigieren«. CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer sprach von einem »Weckruf aus Zittau«. Zuletzt hatten Kliniken in Ostsachsen und Dresden an die Bürger appelliert, dringend Hygienemaßregeln zu befolgen, und auf die Belastung der Krankenhäuser und ihrer Mitarbeiter verwiesen.
Zittau liegt im Landkreis Görlitz, der bundesweit zu den Corona-Hotspots gehört; der Inzidenzwert, der die Anzahl der Infektionen je 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen angibt, lag laut Robert-Koch-Institut (RKI) am Donnerstag bei 621, im Nachbarkreis Bautzen bei 639. Von den zehn am stärksten betroffenen Landkreisen liegen sechs im Freistaat. In einzelnen Orten ist der Wert noch weit höher. in Stollberg im Erzgebirge etwa liegt er bei 1200. Für Sachsen insgesamt wird er vom RKI mit 415 angegeben. Er ist damit bundesweit der mit Abstand höchste. Laut Sozialministerium haben sich bisher rund 98 778 Sachsen infiziert. Bis Donnerstag gab es 2009 Todesfälle. In Zittau liegt die Zahl der Sterbefälle laut Zenker derzeit 25 Prozent über dem langjährigen Durchschnitt.
Laut Medienberichten erwägt die Staatsregierung für besonders betroffene Kommunen eine Abriegelung. In Online-Netzwerken sorgt die Meldung für Aufruhr. Der sächsische FDP-Politiker Torsten Herbst warf dem Ministerpräsidenten vor, von einem »Corona-Zwangsstaat nach chinesischem Vorbild« zu träumen. Auch Rico Gebhardt, Fraktionschef der Linken im Landtag, warnte vor einem »chinesischen Weg«. Ganz Sachsen sei Hotspot: »Das würde also bedeuten, dass ganz Sachsen vom Rest der Republik abgeriegelt werden müsste.« Kretschmer erklärte, ein Arbeitskrisenstab habe Maßnahmen beraten, um »diese furchtbare Pandemie zu stoppen«, und eine Analyse der Gemeinden mit den höchsten Inzidenzwerten erstellt. Später ergänzte er, zunächst wolle man die Auswirkungen des in Sachsen seit Montag geltenden harten Lockdowns beobachten. Vor Ablauf von zehn bis 14 Tagen werde es »keine weiteren Einschränkungen« geben.
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