- Kommentare
- Obdachlosigkeit
Mehr Mut zur Selbstkritik
Claudia Krieg fordert mehr Handlungswillen in Verwaltungen
Es ist selten, dass Politiker*innen eingestehen, dass ihr Handeln nicht exakt dem Notwendigen, das zu tun sei, entspreche. Man kann Sozialsenatorin Elke Breitenbach kaum vorwerfen, dass sie sich nicht ausreichend für die Belange obdachloser Menschen in Berlin engagiert. Aber die Pandemie ist schneller als Ideen und Vorhaben, schneller als die üblichen Prozesse wie Absprachen zwischen einzelnen Akteuren, Erfüllung von formalen Vorgaben, Klärung von Zuständigkeiten. Unkomplizierte Kooperationen gibt es selten mit einer Verwaltung, die mitunter erstickt wirkt von ihrer eigenen Bürokratie und selten von sich aus zu kreativen Handlungen bereit ist. Es ist deshalb gut, sich einzugestehen, dass es in der aktuellen Lage nötig ist, schnell und entgegenkommend zu wirken. Es geht um Menschenleben, viele wissen das zwar, aber begreifen es vielleicht auch erst jetzt wirklich.
Die gesamtstädtische Steuerung zur Unterbringung von obdachlosen Menschen in Berlin, in die viel Hoffnung gesetzt wird, um Obdachlosigkeit nicht nur zu bremsen, sondern auch zu reduzieren, ist noch nicht einmal in der Pilotphase, da schließen nun plötzlich Notübernachtungen. Es ist richtig: viele Menschen auf der Straße brauchen mehr als nur ein Einzelzimmer, aber ist das angesichts des Ansteckungsrisikos in den Unterkünften, in denen zum Teil mehrere Hundert Menschen in Mehrbettzimmern schlafen, nicht zu vernachlässigen? Oder muss in jedem Fall erst eine qualitativ gute und bedarfsgerechte Unterbringung gewährleistet sein - was aber dauern kann?
Wenn die Plätze zur Verfügung stehen, sollte man denjenigen, die es wollen und denen nichts mehr fehlt als ein selbstständiges Leben außerhalb von Gemeinschaftsunterkünften, spätestens jetzt die Chance dazu geben. Auf die Verwaltung kann man da nicht warten. So können sich Menschen eigenverantwortlich darum kümmern, sich nicht anzustecken. Und es hindert niemanden daran, langfristige, gute Lösungen gegen Obdach- und Wohnungslosigkeit zu entwickeln.
Wir behalten den Überblick!
Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.