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Angst vor dem Ausbruch
Die NBA verzichtet in der neuen Saison auf die Isolation ihrer Basketballstars
US-Amerikaner lieben Zahlen. Vor allem im Sport. Sie erfinden die wildesten Statistiken und überhöhen zugleich ihren wahren Wert. Das trifft auch auf Basketball zu. Selbst wenn eigentlich nur wichtig ist, welche Mannschaft mehr Punkte erzielt, können Fans der besten Liga der Welt tagelang darüber diskutieren, ob ein Team siegt, wenn es mehr Rebounds holt, mehr Pässe spielt, sich weniger Ballverluste leistet oder einfach nur mehr Geld für gute Spieler ausgibt.
Auch vor der neuen Saison, die an diesem Dienstag coronabedingt zwei Monate später als üblich beginnt, geisterten viele Zahlen durch die Fanforen: Da wäre das Rekordgehalt von 228 Millionen Dollar (knapp 190 Millionen Euro), für das der wertvollste Spieler der vergangenen Saison, Giannis Antetokounmpo, jüngst seinen Vertrag bei den Milwaukee Bucks um fünf Jahre verlängert hat. Oder die 72 Partien pro Team, auf die der Spielplan verkürzt wurde. Die wichtigste Zahl aber ist die 1. Bei den ersten Tests vor dem Start in die Vorbereitung Ende November waren gleich 48 Profis, also neun Prozent aller Spieler, positiv auf das Coronavirus getestet worden. In der zweiten Woche kamen acht Fälle hinzu, in der dritten vermeldete die NBA nur noch »1«. Es scheint, die Liga hat das Problem in den Griff bekommen.
Dennoch ist die Angst vor dem Virus groß. Die Klubs fürchten weniger schwere Krankheitsverläufe unter den jungen Athleten, sondern eher eine durch Corona-Ausbrüche völlig aus dem Ruder laufende Spielzeit, die mit den Playoffs im Juli erst kurz vor Olympia enden soll. In der National Football League NFL hatte es im November innerhalb von zwei Wochen sogar 156 Coronafälle gegeben. Allerdings spielen die Teams dort nur einmal am Wochenende, so dass nicht so viele Partien ausfallen, wenn eine Mannschaft mal in Quarantäne muss. Dank einiger Nachholspiele ist die NFL wieder auf Kurs.
So leicht wäre das bei den Basketballern nicht, denn in der NBA finden in einem zehntägigen Quarantänezeitraum schon mal vier Spiele statt. Nachholspiele können nur schwer terminiert werden. Trotzdem will die Liga den Meistertitel nicht noch einmal in einer isolierten Blase ausspielen. So hatte sie die vergangene Saison beendet. Das soll aber die Ausnahme bleiben. »Es wird positive Tests geben. Du erwartest das einfach«, sagte Nationalspieler Moritz Wagner der Deutschen Presse-Agentur. »Das ist eine Herausforderung. Jeder muss selbst die Verantwortung übernehmen: darauf achten, wie und mit wem man die Zeit abseits des Platzes verbringt«, sagte der Forward, der weiterhin mit seinem deutschen Kollegen Isaac Bonga bei den Washington Wizards spielen wird.
Dagegen ist der beste deutsche Spieler aus dem beschaulichen Oklahoma City in die Metropole Los Angeles umgezogen: Dennis Schröder wechselte im Herbst zum amtierenden Titelträger und hat urplötzlich die Chance, nach Dirk Nowitzki der zweite deutsche NBA-Meister zu werden. Immerhin spielt er nun bei den Lakers an der Seite der Superstars LeBron James und Anthony Davis. Und auch wenn Schröder ungern schon vor dem ersten Spiel über die Meisterschaft spricht, weiß er, was von ihm erwartet wird: »Die Organisation will die erfolgreiche Titelverteidigung. Das ist die Mission.«
Ob Schröder in Los Angeles endlich wieder in der Startformation stehen wird oder wie zuletzt in Oklahoma eher als Punktesammler von der Bank kommt, wenn die Stars ihre Pausen bekommen, ist noch ungewiss. »Die Bankrolle habe ich hinter mir«, hatte er kurz nach seinem Wechsel zu den Lakers selbstbewusst gesagt. Wenige Tage später klang er zurückhaltender: »Ich versuche, meinen Teamkollegen zu helfen. Was immer nötig ist - ob ich auf dem Boden rutschen muss, einen Rebound holen oder den Ball klauen. Auch auf der Bank sitzen«, sagte der 27-Jährige.
Trainer Frank Vogel ist immerhin ein Fan des Deutschen. »Ich liebe die Schärfe, mit der er spielt. Diese gemeine, kämpferische Seite an ihm. Du hasst das als Gegner und du liebst es, wenn er in deiner Mannschaft ist«, sagte Vogel nach der Verpflichtung Schröders. Selbst wenn er ihm keine Startplatzgarantie gab, versicherte der Coach doch: »Er wird einer unserer wichtigsten Spieler und einer mit vielen Minuten auf dem Feld sein.«
Offensiv dürfte Schröder kaum wieder auf knapp 19 Punkte pro Spiel kommen wie im vergangenen Jahr. »LeBron hat den Ball seit 17 Jahren in seinen Händen und trifft die Entscheidungen. Ich bin nicht hier, um ihm etwas wegzunehmen. Ich versuche nur, ihm zu helfen, mehr Siege zu bekommen«, weiß Schröder um seine neue Rolle als Edelhelfer. Die größte Wirkung erhoffen sich die Lakers offenbar in der Verteidigung von Schröder. »Wir haben ein paar tolle Spieler dazu bekommen. Dennis kann eine Pest sein gegen den Spieler am Ball«, freute sich Anthony Davis auf seinen neuen Kollegen.
Für Schröder und die anderen deutschen NBA-Profis - sechs an der Zahl - zählt jedoch nicht nur der Erfolg in ihren Klubs. Sie wollen im Sommer auch noch bei Olympia dabei sein. Das Problem: Sie sind noch nicht qualifiziert, und durch die Verschiebung der NBA-Saison fällt das entscheidende Qualifikationsturnier nun genau in die Zeit der Playoffs. »Ich hoffe, dass sich da irgendwie eine Regel findet«, sagte Schröder in einem Podcast des Deutschen Basketball-Bundes. Er wolle mit Spielergewerkschaft und Ligaführung eine Option finden, »damit ich da irgendwie mitspielen kann. Das wäre für mich extrem wichtig.«
Dass sich die ausländischen Profis mit der Forderung nach einer Pause durchsetzen, ist jedoch unwahrscheinlich. Dazu fehlt ihnen die Macht. Es sei denn, sie streiken und bekommen Giannis Antetokounmpo dazu, mitzumachen. Der ist mit den Griechen auch noch nicht bei Olympia dabei. Auf den teuersten und besten Spieler will vielleicht selbst die NBA nicht verzichten.
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