Tief zerrissen ins neue Jahr

Präsident Fritz Keller versucht gar nicht mehr, die Gräben beim DFB zu schließen

  • Frank Hellmann, Frankfurt am Main
  • Lesedauer: 4 Min.

Es sind salbungsvolle Botschaften, die Fritz Keller an die mehr als sieben Millionen Mitglieder des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) gerichtet hat. »2020 war nicht der Auftakt in die goldenen 20er Jahre, den wir uns eigentlich erhofft hatten. Sondern es war ein Jahr voller Herausforderungen und Entbehrungen«, hielt der Verbandspräsident in seinem Vorwort zur letzten Ausgabe des DFB-Journals in diesem Jahr fest. Danach lobte der 63-Jährige einmal mehr das Hygienekonzept, das dem Profifußball trotz erschreckender Corona-Zahlen bis einen Tag vor Weihnachten erlaubt weiterzuspielen - in diesem Fall die im Terminkalender vor Heiligabend geschobene zweite DFB-Pokalrunde.

Der vom Verband vermarktete Wettbewerb hatte 2019 noch fast 100 Millionen Euro eingebracht, wovon nach Abzug aller ausgezahlten Prämien noch 11,2 Millionen beim DFB hängen blieben. Fürs Jahr 2020 muss wohl nur mit geringen Abschlägen gerechnet werden. Natürlich hofft Keller fürs neue Jahr auf die Rückkehr des Fußballs, »wie wir ihn kennen und lieben, mit Zuschauer*innen auf den Tribünen und auf dem Sportplatz«, schrieb er, um dann direkt zur Männer-EM 2021 überzuleiten, »bei der unsere Mannschaft trotz des Rückschlags von Sevilla nach Wembley will. Angeführt von Joachim Löw, der den seit März 2019 eingeschlagenen Weg der Erneuerung der Nationalmannschaft konsequent fortführen wird.«

Der Gastronom vom Kaiserstuhl hat nonchalant die Zielvorgabe EM-Halbfinale erneuert, denn in Londons Fußball-Kathedrale sollen Halbfinals und Finale zur Aufführung kommen. Interessant, was der DFB-Boss mit keiner Silbe erwähnte: die tiefen Gräben, die den größten deutschen Einzelsportverband mitten in der Coronakrise zu zerreißen drohen. Vermutlich weiß er selbst am allerbesten, dass diese Risse gar nicht mehr zu kitten sind. Weder im alten noch im neuen Jahr.

Dass innerhalb der höchsten Führungsgremien keine Einigkeit mehr besteht, war aus einer Stellungnahme abzulesen, die der DFB am Freitagnachmittag auf seiner Homepage versteckte. Darin wendeten sich sechs DFB-Vizepräsidenten, angeführt vom mächtigen Rainer Koch sowie Schatzmeister Stephan Osnabrügge, gegen die harsche Kritik, die Präsidiumsmitglied Peter Peters zuvor geübt hatte. Keller hat diesen Appell, in der Multifunktionär Peters mit Nachdruck an seine Loyalität erinnert wird, nicht unterschrieben. Das Zeichen ist verheerend, wenn unter einer Verlautbarung des Verbandes das Plazet des Präsidenten fehlt.

Das wird sich auch der DFB gedacht haben, als Peters am vergangenen Donnerstag in einem doppelseitigen Gastbeitrag des Fachmagazins »Kicker« zum Rundumschlag ausgeholt hatte. »Fehlendes Miteinander in der Spitze ohne jedes Vertrauen«, hatte der 58-Jährige genauso angeprangert wie die »unfassbar vielen Indiskretionen«. Damit war einerseits der Ist-Zustand treffend beschrieben. Andererseits war es zu offensichtlich, wem der Aufsichtsratsvorsitzende der Deutschen Fußball-Liga (DFL) dienen wollte: Peters überbrachte die Kernpunkte der Kritik aus der Liga, die sich in dem Machtkampf grundsätzlich auf Kellers Seite geschlagen hat - und vor allem dessen Gegenspieler, Generalsekretär Friedrich Curtius, loswerden möchte. Unverhohlen war Peters Curtius angegangen: »Eigentlich ist die Aufgabe und klare Zuständigkeit des Generalsekretärs, als Bindeglied in der DFB-Zentrale die gemeinsam beschlossene Präsidiumslinie reibungslos operativ umzusetzen.«

Die ständigen Attacken wären eigentlich schon besorgniserregend genug, wenn diese Zwistigkeiten nicht im kommenden Jahr auch auf die internationale Reputation abfärben. Ausgerechnet Peters soll am 20. April im Rahmen des Uefa-Kongresses auf Vorschlag des DFB-Präsidiums als deutscher Vertreter in den Rat des Weltverbands Fifa gewählt werden.

Auf derselben Veranstaltung in Montreux geht es auch um den deutschen Repräsentanten im Exekutivkomitee von Europas Dachverband Uefa, nachdem der über eine Uhrenaffäre gestolperte Reinhard Grindel beide Ämter hatte aufgeben müssen. Den Posten bei der Uefa hatte Rainer Koch zunächst nur für ein Jahr übernommen. Der 62-Jährige benötigt beim Kongress noch ein Votum für die nächsten vier Jahre - und vermutlich wird es der bayerische Strippenzieher auch bekommen. Nur wie das alles zum Wohle des deutschen Fußballs funktionieren soll, wo sich Peters und Koch gerade öffentlich bekriegen, ist schleierhaft.

Vermutlich hätte Keller all diese Probleme gar nicht auf einer Seite zusammenfassen können. Sie aber komplett zu verschweigen, wird dauerhaft wenig nützen. Dass die Feiertage die DFB-Funktionäre zur Besinnung bringen, glaubt nach der fatalen Entwicklung im Coronajahr 2020 niemand mehr.

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