- Wirtschaft und Umwelt
- Böllern an Silvester
Weniger Feuerwerk ist gesünder
Feinstaub-Emissionen befördern Covid-19-Erkrankungen. Deutsche Umwelthilfe plädiert für neue, umweltfreundliche Silvesterbräuche
Der Verkauf von Feuerwerk soll in diesem Jahr bundesweit verboten werden. Zwar sind das Mitführen von Feuerwerk und das Abfeuern auf öffentlichen Straßen und Plätzen untersagt. In privaten Haushalten bleibt es jedoch erlaubt - außer in Hamburg: Wer hier Raketen abfeuert, dem drohen Bußgelder. Diese Regelungen könnten sich vorteilhaft auf die Umwelt auswirken. So fallen laut Angaben der Deutschen Umwelthilfe (DUH) in Berlin, Hamburg, München, Köln und Frankfurt am Main jedes Jahr rund 200 Tonnen Abfall aus Feuerwerkskörpern an.
Auch für besonders hohe Feinstaubemissionen sind Silvesterknaller verantwortlich. Berechnungen des Umweltbundesamtes zufolge werden jedes Jahr bundesweit rund 2000 Tonnen Feinstaub emittiert, rund 75 Prozent davon zum Jahreswechsel. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt einen Tagesmittelgrenzwert bis 50 Mikrogramm pro Kubikmeter an nicht mehr als drei Tagen im Jahr. An den Neujahrstagen wurden oft Stundenwerte von mehr als 1000 Mikrogramm pro Kubikmeter gemessen.
Bei der Knallerei entstehen neben Schwefeldioxid und Stickstoffdioxid vielerlei giftige, die Atemwege reizende Stoffe. Unlängst untersuchten Geowissenschaftler der Universität Halle einen möglichen Zusammenhang von Stickoxidbelastungen und steigenden Todesraten durch Covid-19. Dafür unter die Lupe genommen wurden Orte in Italien, Spanien, Frankreich und Deutschland, an denen die höchsten Stickstoffkonzentrationen auftraten und ein ungünstiger Luftstrom eine Verteilung der Partikel verhinderte. Anhand von Satellitendaten verglichen sie die Umweltfaktoren mit der Anzahl der Sterbefälle: Überall, wo besonders viel Stickoxid gemessen wurde, forderte das Virus auch mehr Todesopfer. Von insgesamt 4443 Todesfällen konzentrierten sich fast 80 Prozent auf Norditalien und Zentralspanien. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Schadstoffe in Zusammenhang mit Covid-19 weltweit für den Tod von Menschen verantwortlich sein können. Auch in einer im Oktober 2020 veröffentlichten Studie des Max-Planck-Institutes wird ein deutlicher Zusammenhang zwischen dem Feinstaub in der Luft und einem erhöhten Sterberisiko im Falle einer Covid-19-Infektion nachgewiesen.
»Wenn Menschen verschmutzte Luft einatmen, wandern die sehr kleinen Feinstaubpartikel von der Lunge ins Blut und in die Blutgefäße«, erklärt Thomas Münzel vom Universitätsklinikum Mainz. Dort verursachen sie nicht nur Entzündungen und starken oxidativen Stress, sondern schädigen auch die innere Arterienschicht, was zur Verengung und Versteifung der Arterien führen kann. Das Coronavirus gelangt über die Lunge in den Körper, wo es ähnliche Schäden in den Blutgefäßen verursacht. Ist die Lunge durch Luftverschmutzung vorgeschädigt, kann das Virus leichter eindringen - und einen Herzinfarkt, Herzinsuffizienz oder einen Schlaganfall auslösen. Besonders gefährdet sind Herzkranke, Menschen mit Atemwegserkrankungen sowie Schwangere und Kinder.
15 Prozent der weltweiten Todesfälle durch Covid-19 könnten durch Luftverschmutzung mitverursacht sein, schätzen Wissenschaftler. Allein in Deutschland soll der Anteil bei 26 Prozent liegen. Auch deshalb fordert die DUH für 2021 verschärfte Grenzwerte für Feinstaub-Emissionen.
Lärm und beißender Geruch von Raketen und Knallkörpern lösen zudem bei vielen Tieren einen Fluchtreflex aus. So wurden nach Angaben des Vereins Tasso Silvester und Neujahr 2018/19 mehr als 630 Tiere vermisst. Kühe und Pferde rennen durch Weidezäune. Wildtiere, die im Winter mit ihrer Energie besonders haushalten müssen, laufen blindlings über Straßen.
Auch Wildvögel werden mit der einsetzenden Knallerei aus ihrer Nachtruhe aufgeschreckt. So beobachteten Wissenschaftler in den Silvesternächten 2008 und 2010 in den Niederlanden mittels Wetterradar die Flucht Tausender irritierter Vögel: rund 650 Gänse, 2000 Enten und mehr als 9000 Kleinvögel flogen in Höhen bis zu 500 Metern. Erst nach etwa 45 Minuten beruhigten sich die Tiere, wobei sie nicht nur enorm viel Energie verbraucht, sondern auch Schlaf und Zeit zum Ausruhen und Fressen eingebüßt hatten. Während der Flucht hatte sich ihre Gesamtkondition deutlich verschlechtert.
Bereits im Juli 2019 hatte die Deutsche Umwelthilfe großflächige Verbotszonen für Feuerwerke gefordert. In dem aktuellen Verkaufsverbot sieht DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch nun eine Chance, Silvesterbräuche zu entwickeln, die weder Mensch, Tier noch Umwelt schädigen.
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