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IG Metall fordert stärkere Mitsprache bei Umbauplänen der Industrie
Gewerkschaft will für Zukunftstarifverträge und intelligente Optionen zur Arbeitszeitverkürzung kämpfen
Frankfurt/Main. Die IG Metall will beim technologischen Umbau der deutschen Industrie viel stärker mitreden, um möglichst viele Arbeitsplätze zu sichern. Bei den anstehenden Tarifverhandlungen für rund 3,8 Millionen Beschäftigte der Branchen Metall und Elektro verlangt die Gewerkschaft daher nicht nur vier Prozent mehr Geld, sondern auch sogenannte Zukunftstarifverträge und intelligente Optionen zur Arbeitszeitverkürzung. Die Corona-Pandemie heizt die Entwicklung zusätzlich an.
Die Beschäftigten seien alarmiert und blickten mit großen Sorgen in die Zukunft, sagte der Erste Vorsitzende der Gewerkschaft, Jörg Hofmann, der Deutschen Presse-Agentur. »Viele verspüren eine hohe Unsicherheit. Da vermischen sich Erfahrungen aus der Pandemie mit der Wahrnehmung von wirtschaftlicher Krise und strukturellen Veränderungen. Die Digitalisierung hat während der Pandemie noch einmal einen Schub erlebt. Das hat viel nach vorn gebracht, aber auch viel in Frage gestellt.« Auch die Umsetzung der Klimaschutzziele führten viele zu der Frage: »Was bedeutet das für mich und meine berufliche Perspektive?«
Den Unternehmen stellt der Gewerkschaftschef schlechte Noten bei der Beantwortung dieser Fragen aus: »Es ist leider eine der Konstanten unserer Beschäftigtenbefragungen seit 2013, dass ein großer Teil von bis zu 50 Prozent der Beschäftigten die Strategie ihrer Unternehmen nicht erkennen können.« Das sei schon erschreckend. »Da müssen wir uns weiter einmischen, da müssen wir weiter die Unternehmen fordern.«
Man fange bei den Zukunftstarifverträgen aber nicht bei Null an, sagte Hofmann. In einer Reihe von Verträgen seien zukünftige Produkte und Prozesse schon genau beschrieben. »Das reicht von Volkswagen mit der jetzt angelaufenen systematischen Umstellung auf Elektromobilität bis hin zu kleineren Betrieben, die eigene Ideen zu ihrer Zukunft haben.«
Natürlich könne es auch zu Konflikten kommen - wie etwa beim Autozulieferer Continental, der allein in Deutschland 13.000 Stellen abbauen will. Hier werde darüber gestritten, was im Mittelpunkt der Unternehmensstrategie stehen sollte. »Nachhaltigkeit mit der Qualifikation und Innovationskraft der Beschäftigten und Auszubildenden oder billiges Kostentreiben mit Verlagerung der Produktion in Niedriglohnstandorte.« Das sei ein klarer Interessenskonflikt, den man austragen werde.
Die wirtschaftliche Lage stelle sich in der Coronakrise für die Betriebe sehr unterschiedlich dar, sagte der IG-Metall-Chef. Neben stark getroffenen Unternehmen - beispielsweise in der Luftfahrtindustrie - gebe es auf der anderen Seite rund 20 Prozent, die von einer Krise noch gar nichts mitbekommen hätten. Im Fahrzeugbau wiederum habe nach dem Sommer eine starke Erholung eingesetzt, die aktuell durch Probleme in den Lieferketten gefährdet werde.
Unter dem Strich fordere die IG Metall wegen der heterogenen Lage ein Volumen von vier Prozent, das je nach Situation das Entgelt erhöhe oder bei Arbeitszeitverkürzungen die Einkommensverluste teilweise ausgleiche. Damit werde auch die private Nachfrage gestützt, die für die Konjunktur eine immer größere Bedeutung einnehme.
Hofmann warb erneut für das Modell der Viertagewoche, das die Arbeitszeit bei nur teilweisem Lohnausgleich von 35 auf 32 Stunden reduziere. »Arbeitgeber und Betriebsräte haben das gleiche Interesse, die Fachkräfte zu halten. Die Viertagewoche bietet dort eine Alternative zur Arbeitszeitverkürzung, wo Kurzarbeit nicht möglich oder nicht sinnvoll ist. Sie ist längerfristig angelegt und reagiert nicht nur auf konjunkturelle Schwankungen. Daher brauchen wir hier auch einen teilweisen Entgeltausgleich.«
»Wer kürzer arbeitet ist produktiver«, erklärte der Gewerkschafter. »Wir haben bereits enorm flexible Arbeitszeiten in der Industrie. Die Arbeitszeitkonten würden wir gerne tariflich regeln, was die Arbeitgeber in vielen Regionen bislang verweigern. Wir müssen dabei die Arbeitnehmer auch vor Willkür und Überforderung schützen. Es braucht zum Beispiel verbindliche Anmeldefristen, um das Leben planbar zu machen.«
Warnstreiks in den deutschen Schlüsselbranchen wie Auto und Maschinenbau kann es wegen der Friedenspflicht erst im März geben. »Ich bin froh, dass wir im neuen Jahr erst einmal zwei Monate zum Verhandeln haben«, meinte Hofmann. Er sehe einige positive Ansätze aus den vorangegangenen Gesprächen im Frühjahr 2020. Man müsse jetzt die Verhandlungen in den Regionen abwarten, sagte Hofmann. Es werde nur schwierig, wenn sich die Arbeitgeber weiterhin »einmauerten«. Er sehe aber Fortschritte.
Unter Pandemie-Bedingungen müssten sich die Formen des Arbeitskampfes anpassen, sagte Hofmann. »Wir werden unseren Protest bei Warnstreiks sicher anders in die Öffentlichkeit tragen, als dicht gedrängt und mit vielen roten Fahnen vor den Werkstoren zu stehen.« Gute Erfahrungen habe man beispielsweise mit Autocorsos gemacht. Es sei aber trotz digitaler Möglichkeiten schwerer als im Betrieb, die Beschäftigten anzusprechen.
Die schlechte wirtschaftliche Entwicklung in ihren Branchen habe die Gewerkschaft auch bei ihrer Mitgliederentwicklung gespürt, sagte der Erste Vorsitzende. »Allein bei Metall und Elektro sind rund 120.000 Stellen in den Stammbelegschaften und viele Zehntausende Leiharbeiter verloren gegangen.« Genaue Zahlen will Deutschlands größte Gewerkschaft im kommenden Jahr vorstellen. dpa/nd
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