Streit um die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr

Das Verteidigungsministerium erklärt 74 Prozent der Waffensysteme für einsatzbereit - der Deutsche Bundeswehrverband widerspricht

  • Daniel Lücking
  • Lesedauer: 3 Min.

Wie einsatzbereit ist die Bundeswehr? Die Antwort auf diese Frage liegt zum einen am Personal, zum anderen am Material - also an den Waffensystemen. Letztere seien, so heißt es in einem Bericht des Verteidigungsministeriums an das Parlament, zu 74 Prozent einsatzbereit. Ein Durchschnittswert, der von 40 Prozent bei Hubschraubern zu bis 90 Prozent bei fabrikneuen Lastwagen reicht.

Aus dem Verein Deutscher Bundeswehrverband (DBwV) gibt es Kritik. Im Interview mit der »Welt« spricht der Vorsitzende und aktive Soldat, Oberstleutnant André Wüstner, von bestenfalls 50 Prozent Einsatzbereitschaft und erhebt schwere Vorwürfe in Richtung der politischen Führung des Ministeriums und des Parlaments. Das Lagebild beruhe auf »abstrusen Berechnungsmodellen«, die mit »der täglichen Lebenswirklichkeit in der Truppe nicht ansatzweise etwas zu tun« hätten. Auch mit der Regierungspartei SPD rechnet Wüstner ab. Es spreche für sich, dass der SPD-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans bei der strittigen Beschaffung von bewaffneten Drohnen nicht entscheidungsfähig sei. Die Gegner der geforderten Aufrüstungsmaßnahme seien eine »bewusst mit falschen Mitteln kommunizierende Minderheit«, macht sich Wüstner den Wortlaut einer Zuschrift an den Verband zu eigen, ohne im Interview dafür Belege zu liefern.

Die SPD-Spitze hatte in der vergangenen Woche die Diskussion um die Bewaffnung der Drohne Heron TP als andauernd erklärt, und eine Entscheidung über die Aufrüstung in die kommende Wahlperiode vertagt, nachdem es intern nicht zu einer Einigung auf eine Position gekommen war.

Wüstners Bundeswehrverband versteht sich als überparteilicher und finanziell unabhängiger eingetragener Verein. Mit rund 200 000 Mitgliedern hat seine Stimme in der sicherheits- und gesellschaftspolitischen Debatte Gewicht. Obwohl Soldat*innen im Dienst eine politische Betätigung in Uniform untersagt ist, agiert Wüstner immer wieder an der Grenze zur Politik. Sein fachlicher Rat gehört in Expert*innengremien des Bundestags ebenso dazu, wie seine Einordnungen aktueller verteidigungspolitischer Maßnahmen in konservativen Medien gefragt sind.

Voraussetzung für eine Mitgliedschaft im Verband scheint zunächst ein aktives oder ehemaliges Dienst- oder Arbeitsverhältnis zu sein. Darüber hinaus nimmt man auch Angehörige und Hinterbliebene auf. Wer nicht unter den weit gefassten Mitgliederbegriff fällt, kann als Fördermitglied aufgenommen werden, wenn die Ziele des Verbandes unterstützt werden. Für wie viele aktive Beschäftigte aus dem Geschäftsbereich des Verteidigungsministeriums Wüstner spricht, differenziert der Verband in der Außendarstellung nicht. Leutnant Barbara Krach, die auf der Verbandsseite in einem Video unter dem Titel »Deine persönliche Meinung« auftritt, äußert unbelegt die Auffassung: »Es sind ja fast alle Soldaten Mitglied«. Auch die »Welt« spricht undifferenziert von »200 000 Mitarbeitern der Streitkräfte«. Mitglieder sind verpflichtet, »die Interessen und Ziele des Verbandes nach Kräften zu vertreten und zu fördern« und es ist ihnen untersagt, sich in anderen Verbänden mit zuwiderlaufenden Interessen zu betätigen. Übersetzt: ein Lobbyverband mit unklarer Mitgliederstruktur.

Auf Konfrontation mit dem DBwV geht der Sprecher des Verteidigungsministeriums auf »nd«-Anfrage nicht, verteidigt aber die Zahlen. Man habe es mit den seit Jahren verwendeten Kriterien geschafft, von einer 70-prozentigen zu einer 74-prozentigen Einsatzbereitschaft bei den Waffensystemen zu kommen. Das sei »kein Anlass für eine Jubelmeldung, aber doch eine Tendenz.« Im Truppenalltag könne das »etwas deutlich anderes sein«. Das sei auch die Meinung des Ministeriums, das gemeinsam mit dem DBwV an der nachhaltigen Finanzierung für die notwendigen Projekte arbeite. Eine Notwendigkeit die widersprüchlichen Zahlen aufzulösen und zu einer eindeutigen Aussage zur Einsatzbereitschaft zu kommen, scheint es für das Ministerium nicht zu geben. Kommentar Seite 8

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