Hummer-Essen belastet Senatorin

Hochpreisiger Restaurantbesuch auf Malta hat einen Imageschaden für Rot-Grün in Hamburg zur Folge

  • Reinhard Schwarz, Hamburg
  • Lesedauer: 4 Min.

Ein Hummer-Essen in einem Restaurant vor drei Jahren auf Malta schlägt den Beteiligten noch nachträglich auf den Magen. Am Tisch saß laut Medienberichten nicht nur die jetzige Justizsenatorin Anna Gallina, sondern auch Michael O., langjähriger und einflussreicher Vorsitzender der Grünen-Fraktion im strategisch wichtigen Bezirk Hamburg-Mitte. Die Staatsanwaltschaft ermittelt seit Frühjahr 2020 wegen des Verdachts der Untreue gegen den Mann. Es geht um den Verbleib von Fraktionsgeldern in Höhe von 67 900 Euro. Die Restaurantrechnung über 250 Euro für das Hummer-Essen ließ sich der damalige Fraktionsvorsitzende Berichten zufolge aus der Fraktionskasse erstatten.

In einer Zeit, in der »der Politik« von vielen Menschen generell Vorteilsannahme unterstellt wird, stoßen solche Berichte auf offene Ohren. In den Kommentarblöcken im Internet äußerten sich so manche Bürger hämisch bis feindselig. Konservative Kommentatoren wälzten das Thema von einer »grünen Doppelmoral« genüsslich hin und her. Für den rot-grünen Senat bedeutete dies einen erheblichen Imageschaden. Unklar ist allerdings, wie die Information über die Hummer-Rechnung in die Medien gelangen konnte. Denn die Bewirtungsbelege befinden sich angeblich bei der Staatsanwaltschaft.

Sie sei im Mai 2017 nach Malta gereist, wollte zwei Wochen auf dem Schiff »Sea Eye« helfen, um dort Schiffbrüchige aus dem Mittelmeer zu retten, erklärte Gallina nach einigen Tagen des Schweigens. Zu dieser Hilfsaktion für Geflüchtete kam es aber nicht, weil das Schiff mit Motorschaden vorzeitig umkehren musste. »Es tut mir sehr leid, dass rund um meinen humanitären Einsatz im Mittelmeer in der Öffentlichkeit ein so negativer Eindruck entstanden ist«, erklärte die Justizsenatorin. »Gleichwohl habe ich Verständnis dafür, dass ein solches Essen Irritationen und Empörung bei den Menschen hervorruft. Dafür möchte ich mich ausdrücklich entschuldigen.« Hummer habe sie nicht gegessen, betonte sie.

Am 21. April dieses Jahres hatte die Bezirksfraktion der Grünen in Hamburg-Mitte gegen ihren ehemaligen Vorsitzenden Strafanzeige gestellt. »Gegenstand der Strafanzeige sind Vorwürfe der Veruntreuung von Fraktionsgeldern«, heißt es in einer Erklärung. Fraktionkolleg*innen hatten nach dem Rückzug O.s im Jahr 2019 aus der Parteipolitik dessen Buchführung untersucht und waren auf Ungereimtheiten bei den Bewirtungsbelegen gestoßen. Sie erstatteten Anzeige. Im Zuge dieser Affäre fiel auch ein Schatten des Verdachts auf die jetzige Justizsenatorin, die seit 2015 Vorsitzende des Hamburger Landesverbands der Grünen und ehemalige Partnerin von O. ist. Dieser hat die Grünen mittlerweile verlassen. Zu den Spesenabrechnungen von O. äußerte sich Gallina bisher nicht. Die Oppositionsparteien CDU und Linkspartei forderten Aufklärung.

Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) stellte sich in einem Interview mit dem NDR am 17. Dezember vor seine Justizsenatorin. »Frau Gallina hat bekräftigt und bestätigt, dass sie von den Vorwürfen gegen ihren früheren Lebenspartner keine Kenntnis hatte. Sie ist als Zeugin in dem Verfahren betroffen. Insofern gehe ich davon aus, dass es so ist, wie sie (die NDR-Interviewerinnen) es ja bestätigt haben, dass sie es nicht gewusst hat, welche Vorwürfe dort erhoben werden können.« Tschentscher regiert seit bald drei Jahren in einer Koalition mit den Grünen. Auch von der Mehrheit ihrer Parteikolleg*innen wird Gallina offensichtlich weiter unterstützt, wie diverse öffentliche Äußerungen von Hamburger Grünen-Politiker*innen nahelegen.

Allerdings ist es nicht die erste Affäre, in welche die heutige Justizsenatorin verwickelt zu sein scheint. In einem anderen Fall wurde zeitweise gegen sie ermittelt. Kurz nach den Wahlen zu den Bezirksversammlungen im Jahr 2019 kam es im Regionalparlament Hamburg-Mitte zu einem Eklat: Zwei der neu gewählten Grünen-Abgeordneten wurde aus den eigenen Reihen mangelnde Verfassungstreue und Nähe zu islamistischen Vereinigungen vorgeworfen. Die beiden neu Gewählten wiesen den Vorwurf zurück. Bei den Wahlen waren die Grünen in vier von sieben Bezirken stärkste Kraft geworden. In Hamburg-Mitte hatten sie mit 16 Abgeordneten zwei mehr als die Sozialdemokraten.

Doch der Streit endete im Fiasko: Vier Abgeordnete der Grünen solidarisierten sich mit den zwei angeblichen Islamisten-Freunden, gründeten die Fraktion »Grüne 2« und traten später der SPD bei. Damit war die Mehrheit für die Grünen wieder futsch. Die »Abtrünnigen« warfen der Landesvorsitzenden Gallina vor, die Gerüchte gestreut zu haben. In der Folge ermittelte die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts »ehrverletzender Äußerungen« gegen die Politikerin. Die beiden Betroffenen hatten aufgrund der Verdächtigungen massive berufliche Nachteile erlitten. Das Ermittlungsverfahren gegen Gallina wurde im Juli dieses Jahres eingestellt, verkündete die Pressestelle der Staatsanwaltschaft. Da war die Spitzenpolitikerin bereits einen Monat als Justizsenatorin im Amt.

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