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Privilegien für Geimpfte stoßen auf breite Ablehnung
Regierungsparteien prüfen Möglichkeiten, um der Privatwirtschaft eine Ungleichbehandlung zu untersagen
Berlin. Mögliche Sonderrechte für Menschen mit Corona-Impfschutz stoßen quer durch die Parteien auf Ablehnung - jetzt diskutieren Rechtspolitiker der Koalition ein Verbot solcher Privilegien. Entsprechende gesetzliche Maßnahmen wurden im Regierungsbündnis aber kontrovers diskutiert. Lauter wurden die Forderungen, die Anstrengungen zur Herstellung von mehr Impfstoff zu erhöhen.
Die SPD prüfe derzeit gesetzliche Maßnahmen, »wie Ungleichbehandlungen von Nicht-Geimpften und Geimpften durch die Privatwirtschaft ausgeschlossen werden könnten«, sagte ihr Rechtsexperte Johannes Fechner der »Welt« vom Dienstag. Es sei nicht hinnehmbar, wenn Fluggesellschaften nur Geimpfte mitnehmen oder Restaurants Nicht-Geimpften den Zutritt verwehren.
Der rechtspolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe, Volker Ullrich, sagte der »Welt«: »Für den Staat gilt schon heute ein allgemeines Diskriminierungsverbot.« Es verbiete sich deswegen von vornherein, zum Beispiel im Öffentlichen Personennahverkehr nach Geimpften und Nicht-Geimpften zu unterscheiden. Im privaten Bereich gebe es hingegen eine Regelungslücke, »die wir adressieren müssen«, betonte Ullrich.
Demgegenüber kritisierte der rechtspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jan-Marco Luczak (CDU) die Diskussion über ein Privilegien-Verbot als »Phantomdebatte.« Aktuell gebe es nicht genügend Kapazitäten, um alle Menschen zu impfen, die das wollen. »Solange dies so ist, stellt sich die Frage einer Privilegierung nicht.« Denn einem Clubbetreiber bringe es gar nichts, »wenn er Achtzigjährigen, die in den nächsten Wochen und Monaten geimpft werden, den Zutritt erlauben würde, den feierwilligen Zwanzigjährigen, die noch keine Impfmöglichkeit haben, dagegen nicht«.
Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, wandte sich ebenfalls gegen Sonderrechte für Geimpfte. Stattdessen sollten in kürzester Zeit ausreichend Kapazitäten aufgebaut werden. »Dann erübrigt sich - glaube ich - auch diese Debatte.« Es sei nicht befriedigend, wenn möglicherweise das ganze Jahr 2021 gebraucht werde, um tatsächlich ausreichend Impfstoffkapazitäten zur Verfügung zu haben. »Wir müssen tatsächlich so etwas wie Krisenproduktion oder Krisenmodus einnehmen, um an dieser Stelle vorwärts zu kommen.«
Auch Linken-Chef Bernd Riexinger kritisierte, die Debatte um mögliche Privilegien für Corona-Geimpfte gehe »zur Zeit am Thema vorbei«. Stattdessen solle Bundesgesundheitsmister Jens Spahn (CDU) »lieber alles dafür tun, eine schnelle Impfung zu ermöglichen, für alle die es wollen«, sagte er der Nachrichtenagentur AFP. »Die Freigabe der Patente wäre dafür ein wichtiger Schritt.«
Zuvor hatte bereits die Linke im Bundestag gefordert, das Bundesgesundheitsministerium solle die Herstellerfirmen der Impfstoffe auf Grundlage des Bevölkerungsschutzgesetzes dazu zwingen, anderen Unternehmen eine Lizenz zum Nachproduzieren von Impfstoffen zu gewähren.
Die Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Alena Buyx, mahnt in der Debatte um mögliche Sonderrechte für Geimpfte zu Augenmaß und Geduld. Bei einer rechtlichen Regulierung solle die Suche nach differenzierten und gesellschaftlich akzeptierten Lösungen im Mittelpunkt stehen, betonte die Ethikratsvorsitzende. Sie erinnerte daran, dass es bei anderen Impfungen verschiedene Regelungen gibt. So ist etwa der Nachweis einer Masernimpfung notwendig, um ein Kind in der Kita anzumelden. Auch im Gesundheitssystem und für Reisen gibt es Vorschriften zu Impfungen. Buyx sagte: »Wir haben eine allgemeine Impfpflicht klar ausgeschlossen. Es wird aber davon abgesehen sicher gefragt werden, ob und unter welchen Umständen es zulässig sein könnte, Geimpfte und Nicht-Geimpfte unterschiedlich zu behandeln, wenn die Impfung allen zur Verfügung steht.« Agenturen/nd
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