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Superimpfling
Andreas Koristka über seine Zeit an der Nadel und die ausstehende Gegenleistung der Politik
Gute Vorsätze sind eine tolle Sache. Für das neue Jahr habe ich mir vorgenommen, an dieser Stelle mehr aus meinem Privatleben zu erzählen. - Meine Mutter war nach der Wende Arzthelferin bei einem Allgemeinmediziner in einer brandenburgischen Kleinstadt. Sie verdiente in diesem Beruf wenig Geld. Als Ausgleich bekam sie einen vorbildlich geführten Impfpass für ihren Sohn. Der Berufseid des Chefs meiner Mutter verpflichtete ihn nämlich dazu, dass er nach bestem Wissen und Gewissen, mit Würde und im Einklang mit guter medizinischer Praxis seinem Personal und der Familie seines Personals jede Impfung angedeihen lassen würde, deren Kosten von meiner Krankenkasse übernommen wurden oder deren Kostenübernahme durch die Krankenkasse erschummelt werden konnte. So komme ich in meinen relativ jungen Jahren auf über 30 kostenlose Grippeschutzimpfungen. Als Impfling qua Geburt habe ich mich also schon immunisieren lassen, bevor es cool oder gar links war.
Selbstverständlich blieb es nicht bei den Grippeschutzimpfungen. Mittlerweile kann ich über FSME, Pneumokokken und Hepatitis (A und B!) genauso gut lachen wie über Masern, Keuchhusten und Globuli gegen Tetanus. Komplikationen im Zusammenhang der vielen Spritzen sind mir nicht erinnerlich. Ob die Impfungen gänzlich nebenwirkungsfrei waren, weiß ich nicht genau. Aber auf keinen Fall hatten sie gesteigerten Ehrgeiz zur Folge, sonst hätte ich mich schon längst mit der Redaktion des »Guinness-Buchs der Rekorde« ins Benehmen gesetzt und mich als Deutschlands meist geimpfter Mann registrieren lassen.
Nun nimmt seit einigen Tagen die Diskussion darüber an Fahrt auf, ob man Geimpften ihre Rechte vorenthalten dürfe, weil es dafür eigentlich keinen Grund gibt - außer der Missgunst und dem Neid des hässlichen ungeimpften Restes. Nach all den Jahren der tiefen Einstiche, die ich ertragen musste, begrüße ich diese Debatte! Wichtig wird aber sein, dass wir die Corona-Impfung nicht als alleinigen Maßstab ansetzen, um über Sonderrechte zu entscheiden. Denn selbst mein alter Hausarzt könnte mir momentan kein Covid-19-Vakzin besorgen. (Könnte er wahrscheinlich doch, aber er ist tot.)
Ich verlange nicht viel als Gegenleistung für meinen Superimpfstatus. Es muss ja nicht gleich die Erlaubnis für den Besuch einer Après-Ski-Party oder einer albanischen Hochzeit sein. Mir würde es schon genügen, wenn ich die Fahrbereitschaft des Deutschen Bundestages mitnutzen könnte oder wahlweise das Catering auf der Bundespressekonferenz. Oder wenn es mir gestattet wäre, als alleiniger Gast auf der nächsten ZDF-Silvestergala am Brandenburger Tor Johannes B. Kerner und Andrea Kiewel von der ersten Reihe aus mit faulen Eiern und Pflastersteinen zu beschmeißen und mit einem Baseballschläger bewaffnet auf »De Höhner« loszugehen. Das stünde mir zu, schließlich bin ich nicht nur geimpft, ich zahle auch GEZ.
Aber warum tut sich die Politik so schwer, mir auch nur ein bisschen entgegenzukommen? Natürlich haben Spahn und Merkel grade viel zu tun, das sehe ich ein. Aber wäre es wirklich zu viel verlangt, wenn der Gesundheitsminister in einer seiner Pressekonferenzen in einem kurzen Halbsatz erwähnen würde, dass jeder Deutsche verpflichtet ist, mir einen Euro auf mein Girokonto zu überweisen? Ist sich Jens Spahn letztlich zu fein dafür, dem Volk meine IBAN zu diktieren? Hat der Mann gar die Bodenhaftung verloren?
Wenn meine gute Mutter damals gewusst hätte, wie die Politik mich heute mit Nichtachtung straft, sie hätte mich wohl kaum mit ihren ehrlichen und schwieligen Händen zu jeder Auffrischungsimpfung gezerrt. Mittlerweile würde ich das sogar gut finden, denn dann bräuchte ich mich jetzt nicht zu ärgern.
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