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  • Deutsche Wohnen & Co enteignen

Vorbereitung auf den Unterschriftenmarathon

Enteignungsvolksbegehren und Rot-Rot-Grün haben noch einen Gesprächstermin – die Aussicht auf eine Einigung ist gering

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 4 Min.

»Berlin hat Eigenbedarf«, unter diesem Motto bereitet sich das Volksbegehren Deutsche Wohnen & Co enteignen auf die Sammlung von rund 170 000 Unterschriften vor. Sie soll im Februar starten und muss nach vier Monaten beendet sein. Rechnerisch müssen also an die 1500 gültige Unterstützerunterschriften pro Tag zusammenkommen, um das Ziel zu erreichen, einen Volksentscheid über die Frage im Herbst gemeinsam mit den Wahlen zum Bundestag und Abgeordnetenhaus abhalten zu können. Täglich finden derzeit Unterstützertreffen statt. Seit 13. Dezember 2020 sind auf der Plattform Startnext bis Montagmittag bereits über 28 000 Euro an Spenden für die Kampagne zusammengekommen.

Doch zuvor stehen am kommenden Montag noch Gespräche mit den drei Koalitionsfraktionen von SPD, Linke und Grünen an. Noch liegt der Ball beim Abgeordnetenhaus, bis 24. Januar hat es die Möglichkeit, das Anliegen des Volksbegehrens zu übernehmen. Es ist der Auftrag, ein Gesetz zu formulieren, mit dem die Berliner Bestände renditeorientierter Vermieter, die jeweils 3000 Wohnungen übersteigen, gegen Entschädigung vergesellschaftet werden. Das beträfe den Berliner Platzhirsch Deutsche Wohnen mit rund 110 000 Wohnungen genauso wie über ein Dutzend weiterer Unternehmen.

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»Es gibt diese Gespräche mit den Fraktionen, aber wir bereiten uns intensiv auf die nächsten Stufen vor«, sagt Ralf Hoffrogge von Deutsche Wohnen & Co enteignen zu »nd«. Denn die Erfolgsaussichten einer Einigung mit den Fraktionen sind äußerst gering. SPD-Fraktionschef Raed Saleh will sich mit Verweis auf die vereinbarte Vertraulichkeit auf nd-Anfrage nicht äußern. Doch allgemein wird in der SPD auf die Beschlusslage verwiesen. Das Ziel von Deutsche Wohnen & Co enteignen werde geteilt, »mehr Grund und Boden in öffentliche Hand zu bringen«, das Instrument sei jedoch begrenzt und nicht zielgenau. »Die Vergesellschaftung der Bestände von großen Wohnungsunternehmen in Berlin halten wir deshalb gegenwärtig nicht für zielführend«, heißt es im Beschluss des Parteitags vom Oktober 2019.

»Die Flinte ins Korn zu werfen wäre das Scheitern einer historischen Gelegenheit«, sagt Grünen-Fraktionschefin Antje Kapek zu dem anstehenden Gespräch mit der Initiative. Tatsächlich ist derzeit unklar, wie das Bundesverfassungsgericht den Mietendeckel beurteilen wird. Das für den Sommer erwartete Urteil kann großen Einfluss auf die Mobilisierung beim Volksentscheid haben. »Es ist ein Blumenstrauß an Maßnahmen möglich. Das schreiben wir als Grüne gerade auf und wollen parallel auch die juristischen Möglichkeiten prüfen«, so Kapek zu »nd«. Schließlich habe sich die Koalition auf die Fahnen geschrieben, »wohnungspolitisch nichts unversucht zu lassen«.

Es steht der Vorwurf von SPD und Grünen an die Linke im Raum, dass sie aus wahlkampftaktischen Überlegungen kein Interesse an einer Einigung der Koalition mit der Initiative habe. Diese Aussage überrasche sie schon etwas, lässt die Co-Linksfraktionsvorsitzende Anne Helm auf nd-Anfrage wissen. »Eine Einigung kann es nur über ein Enteignungsgesetz geben. Das ist die Intention des Volksbegehrens. Dazu haben sich unsere Koalitionspartnerinnen bisher nicht bekannt«, so Helm weiter. Als einzige habe sich die Linksfraktion bisher klar zu diesem Schritt bereit erklärt. »Ein Angebot auf eine Einigung, die wir hätten ablehnen oder verhindern können, gibt es bisher nicht«, sagt die Politikerin.

Inzwischen ist bekannt geworden, dass die Innenverwaltung die Kosten der Klage von Deutsche Wohnen & Co enteignen vor dem Berliner Verwaltungsgericht übernimmt. »Die Klage war weder geboten noch begründet«, heißt es zwar in einem von der Initiative veröffentlichen Schreiben der Innenverwaltung. »Gleichwohl erkläre ich mit Blick auf die ungewöhnlich lange Verfahrensdauer, im Interesse einer raschen Beendigung des Rechtsstreites und der Reduzierung der Kosten dazu bereit, die Kosten zu tragen«, so das Schreiben vom 23. November 2020. Initiativenvertreter werten das als Schuldeingeständnis. Im Mai 2020 hatten sie Klage eingereicht, nachdem auch rund 300 Tage nach Abgabe von rund 58 000 gültigen Unterschriften die Verwaltung von Innensenator Andreas Geisel (SPD) die Zulässigkeitsprüfung des Volksbegehrens nicht abgeschlossen hatte.

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