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Millionärssteuer - oder was?
Für die Vermittlung der Forderung nach einer Besteuerung Reicher ist auch der richtige Begriff entscheidend
Die Linke will eine Millionärssteuer. Alle Menschen, die ein Vermögen von mehr als einer Million Euro haben, sollen auf den Betrag oberhalb der Million fünf Prozent Steuern bezahlen. Wer zum Beispiel über ein Vermögen - nach Abzug von Schulden - von 15 Millionen Euro verfügt, soll fünf Prozent auf 14 Millionen Euro bezahlen, also 70 000 Euro im Jahr.
Diese Besteuerung ist mehr als notwendig, um die immer ungerechtere Vermögensverteilung in unserem Land zumindest ein bisschen zu korrigieren und um die gigantischen Aufwendungen für bessere Sozialleistungen, Bildung, Infrastruktur und ökologischen Umbau zu finanzieren. In der Coronakrise ist die Notwendigkeit einer Millionärssteuer noch bedeutsamer, um die finanziellen Lasten des Staates durch die Reichen mitzutragen und drohenden Sozialabbau in den vor uns liegenden Jahren abzuwenden.
Die Forderung nach der Millionärssteuer wurde 2008, kurz nach der Parteigründung von der Partei beschlossen und bis in die jüngste Zeit auch so vertreten. Sie zeichnet sich vor allem auch dadurch aus, dass sie in der politischen Auseinandersetzung klar und einfach ist und damit gut vermittelbar.
Am 16. Dezember 2020 haben Daniela Trochowski, Ralf Krämer, Fabio De Masi und Axel Troost in »nd.derTag« einen Vorschlag zur Wiedererhebung der Vermögensteuer vorgelegt. In zwei gewichtigen Punkten weicht ihr Vorschlag von der bisherigen Beschlusslage ab.
Erstens fordern sie eine Vermögensteuer und die Forderung beziehungsweise der Begriff »Millionärssteuer« taucht überhaupt nicht auf. Auch findet sich bei ihnen keine Auseinandersetzung damit, weshalb man wieder zu dem Begriff der »Vermögensteuer« zurückkehren sollte. Das ist mehr als Begriffshuberei. Denn gegenüber einer Vermögensteuer bestehen bei vielen Menschen, die Die Linke ansprechen will, erhebliche Vorbehalte. Viele Beschäftigte haben sich mühselig in einem langen Arbeitsleben ein bisschen Vermögen, meist in Gestalt eines Hauses oder einer Wohnung, erarbeitet. »Und darauf soll ich jetzt noch Steuern zahlen?«, so häufig die Frage. Klar, man kann dann lange erklären, dass es einen Freibetrag von einer Million geben soll. Aber viele, die wir ansprechen wollen, hören dann schon gar nicht mehr zu, sie sind verschreckt. Deshalb ist es für die Vermittlung unserer Forderung von zentraler Bedeutung, einen erklärenden Begriff zu haben: Millionärssteuer! Damit ist von vornherein klar, dass nur Reiche, dass nur Millionäre und logischerweise Milliardäre betroffen sind.
Zweitens fordern die Autoren von der einheitlichen Besteuerung mit fünf Prozent abzurücken und plädieren für einen progressiven Tarif, beginnend mit einem Prozent, ansteigend - vermutlich linear - auf fünf Prozent bei einem Vermögen von 100 Millionen Euro. Das ist dann mehr als überraschend bis hochgradig irritierend. Dieser Steuerverlauf würde dann zum Beispiel bedeuten, dass jemand mit einem Vermögen von 50 Millionen Euro nicht mehr fünf Prozent, sondern knapp drei Prozent Steuern bezahlen müsste.
Die Autoren gehen mit keinem Satz darauf ein, weshalb ein Vermögen von 50 Millionen Euro nicht mehr mit fünf, sondern mit drei Prozent besteuern werden sollte. Weshalb in Teufels Namen - inmitten der Coronakrise - sollte Die Linke in ihren Forderungen einem 50-fachen Millionär einen Discount von zwei Prozentpunkten gewähren? Was ist an dieser Forderung sozialistischer als die bisherige Forderung? Eine Forderung, aufgestellt 2008 ist nicht sakrosankt. Aber wenn man sie verändert, dann muss dies immer von begründeten Kritikpunkten ausgehen.
Einer wäre für mich diskussionswürdig: Eine eigengenutzte Immobilie, die sich ein*e Beschäftige*r vor zum Beispiel 30 Jahren für 400 000 Euro gekauft und mühsam abbezahlt hat, hat heute einen Wert von mindestens 1,3 Millionen Euro. Ob es gerecht ist, da eine Besteuerung von 300 000 Euro mit fünf Prozent vorzusehen, also mit 1250 Euro monatlich, ist schon mehr als fraglich. Die Antwort könnte die Hochsetzung des Freibetrages der Millionärssteuer auf zwei Millionen Euro sein. Aber nicht die Einführung eines kunstvollen, schwer zu erklärenden Progressionstarifs, der zudem dazu führen würde, dass zigfache Multimillionäre einen Discount erhalten! Gerade ihr Vermögen ist nicht Resultat eigener Arbeit, sondern die Aneignung von fremder Arbeit, also Ausbeutung. Und diese mit einer Millionärssteuer wieder ein Stück zurück zu drehen, muss für eine sozialistische Partei höchstes Ziel sein.
Michael Schlecht ist ehemaliger Bundestagsabgeordneter sowie ehemaliges Mitglied des Parteivorstandes Die Linke.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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