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Ghetto-Präsident mischt Uganda auf
Langzeitherrscher Yoweri Museveni fürchtet nicht nur bei den Wahlen den Shootingstar Bobi Wine
»Sich gegen Museveni zu stellen ist wie ein Todesurteil«, so Joel Ssenyonyi, Pressesprecher der Oppositionspartei National Unity Platform (NUP), gegenüber »Al-Dschasira«. Kurz vor den Wahlen am 14. Januar patrouilliert das Militär teilweise mit schweren Panzerfahrzeugen in der Hauptstadt Kampala, um für Sicherheit zu sorgen. Zehn Kandidaten wollen den seit 1986 amtierenden Präsidenten Yoweri Museveni und seine Nationale Widerstandsbewegung (NRM) herausfordern, als aussichtsreich gilt besonders Robert Kyagulanyi Ssentamu von der progressiven Nationalen Einheitsplattform (NUP). Der Sänger, der unter dem Namen Bobi Wine bekannt ist und von den Armen als »Ghetto-Präsident« gefeiert wird, geriet im Laufe seines Wahlkampfes immer wieder in Konflikte mit den Sicherheitsbehörden. Diese warfen ihm vor, bei seinen Veranstaltungen die Richtlinien zum Schutz vor Covid-19 zu missachten. »Einige unserer Konkurrenten sind leider nicht den Regeln gefolgt«, sagte Museveni. »Sie haben große Zahlen von Menschen versammelt, was Infektionen begünstigt.« Für Wine sind die Maßnahmen jedoch nur ein weiteres Mittel, um die politische Konkurrenz zu behindern. Die Armee soll Dienstag eine Razzia in Wines Haus durchgeführt haben, was jedoch von offizieller Seite dementiert wird.
Die Repression, mit der Oppositionelle in Uganda leben müssen, ist nicht neu. Schon Kizza Besigye, Gründer des Forums Demokratischer Wandel (FDC), der seit 2001 bei vier Wahlen gegen Museveni antrat, wurde 1023 Mal verhaftet, ohne ein einziges Mal verurteilt zu werden. Bei Musevenis Kampf gegen die Diktatur von Milton Obote war Besigye noch dessen Leibarzt gewesen. 1999 kam es jedoch zum Zerwürfnis. Dieses Jahr entschied er sich schließlich, nicht mehr zu kandidieren, da es keine gerechten Bedingungen gebe. Stattdessen will er nun mit anderen Mitteln gegen den Amtsinhaber mobilisieren. »Wenn der verfassungsmäßige Rahmen nicht gegeben ist, müssen sich die Menschen erheben und dafür kämpfen, die Verfassungsmäßigkeit wiederherzustellen«, sagte Besigye gegenüber »NTV Uganda«. Sein Nachfolger Patrick Amuriat, der nun für das FDC kandidiert, wurde laut Berichten der ugandischen Zeitung »Daily Monitor« seit November neun Mal festgenommen, zuletzt am Sonntag. Einige Tage zuvor schoss ein Polizist auf Amuriats Konvoi, wurde anschließend aber unter Arrest gestellt.
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Die Zielscheibe Nummer eins für die Regierung ist Wines Anhängerschaft. Bei Protesten gegen seine Festnahme im November waren innerhalb weniger Tage mehr als 50 Menschen bei Auseinandersetzungen mit der Polizei gestorben. Erst Ende Dezember wurde sein Leibwächter von einem Polizeiauto überfahren. Wirtschaftsminister Baltazar Kasirivu-Atwooki überlebte in der Nacht auf Mittwoch knapp ein Attentat. Bei den Vorwahlen konnte er sich innerhalb von Musevenis NRM nicht durchsetzen und kandidiert nun unabhängig für ein Parlamentsmandat.
Seit Dienstag blockieren die Mobilfunkprovider zudem auf Geheiß der nationalen Regierungskommission für Kommunikation den Zugang zu Internet und sozialen Medien. An einem Gespräch über die Wahlen mit der Deutschen Afrika-Stiftung konnte Wine nur mit VPN teilnehmen. Zuvor hatte Facebook mutmaßlich gefälschte Konten gelöscht, die mit der Regierung in Verbindung standen und an einer Kampagne gegen Bobi Wine beteiligt waren. Museveni sagte, ein Medium, das sich gegen die NRM stellt, werde in Uganda nicht toleriert. Ein Grund mehr, in Bobi Wine einen Agenten ausländischer Mächte zu sehen.
In einer Sendung von »NBS Television« auf die von Museveni vermuteten ausländischen Beziehungen und seine Verbindung zu Homosexuellen angesprochen, entgegnete Wine, es sei eine Schande, einem verheirateten Mann diese Frage zu stellen. »Ich würde meine Zeit lieber nutzen, um über unsere Pläne für dieses Land zu sprechen«, konterte er. »Wir werden von Ugandern unterstützt«, sagte Wine daraufhin. »Museveni kann reden, wovon er will, denn er hat nichts anderes zu sagen.«
Boaz Murema, Gründer des Vereins »Bantu«, der Entwicklungsprojekte in Uganda unterstützt, bewundert Bobi Wine dafür, dass er gezeigt hat, »welche Bedeutung die Rolle der Jugend hat«. Viele aus der Mittelschicht hätten Politik inzwischen aufgegeben und würden sich mit anderen Dingen beschäftigen. »Die jetzige Regierung verspricht eine Zukunft, die sie schon seit 30 Jahren nicht bieten kann«, sagte der Student dem »nd«. Auf einer Veranstaltung des Afrodeutschen Akademikernetzwerks hatte er vergangenes Jahr die Gelegenheit, Bobi Wine nach dessen politischer Perspektive zu fragen. Die wichtigste Aufgabe sei zunächst, den Präsidenten zu stürzen, hätte Wine ihm geantwortet. Für Murema ist Museveni jedoch nicht das eigentliche Problem, sondern seine Partei und das System, dass sie geschaffen habe. Bei Wine fehlt ihm ein konkretes Programm.
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