Tödliche Armut in einer reichen Stadt

Linke und CDU fordern vom Hamburger Senat Einzelzimmer statt Sammelunterkünfte für Obdachlose

  • Reinhard Schwarz, Hamburg
  • Lesedauer: 3 Min.

Mitternacht, Schneeregen, Temperaturen um die Null Grad. Ein eisiger Wind faucht durch die Straßen der Hansestadt. Die meisten Menschen haben es sich in ihren gut geheizten Wohnungen gemütlich gemacht. Für einige Tausend ist das undenkbar. Sie leben auf der Straße. Kürzlich ist in Hamburg der fünfte Obdachlose innerhalb weniger Tage verstorben. Wiederbelebungsversuche blieben erfolglos. Bereits an Silvester starb ein 48-Jähriger nahe den Landungsbrücken in St. Pauli. Einen Tag später wurde ein 59-Jähriger tot auf einer Isomatte im Schanzenpark aufgefunden. In der Nacht auf den zweiten Januar starb ein 65-Jähriger auf dem Altonaer Hauptfriedhof, offenbar bei einem Brand seines Zeltes. Das Feuer sei vermutlich entstanden beim Versuch, in seinem Zelt Essen zu kochen. Die Todesfälle haben den Streit um die Unterbringung von Wohnungslosen neu entfacht. Bereits im Winter 2020 hatte die Linke gemeinsam mit Initiativen die Nutzung leer stehender Hotelzimmer gefordert, auch wegen der Ansteckungsgefahr in den Vierbettzimmern des Notprogramms. Der Senat hatte diesen Vorstoß immer wieder mit dem Hinweis abgeblockt, sein »niedrigschwelliges« Angebot diene dem Erfrierungsschutz.

Auch die CDU fordert seit Längerem die Öffnung von Hotels für Menschen ohne ein Zuhause. »Das sture Festhalten von Rot-Grün an den bisher im Winternotprogramm üblichen Sammelunterkünften ist dabei das Problem und keine Lösung«, erklärte Andreas Grutzek, sozialpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion in der Bürgerschaft. »Denn es ist bekannt, dass manche Obdachlose diese Sammelunterkünfte aufgrund der räumlichen Enge und der damit verbundenen Sorge vor Gewalt und Diebstahl meiden. Die Corona-Pandemie hat die Ablehnung der Sammelunterkünfte erwartbar noch verschärft.« Stephanie Rose, Sozial- und Wissenschaftsexpertin der Linksfraktion in der Bürgerschaft, verdeutlichte in einem Beitrag für die »Hamburger Morgenpost« die besondere Situation Obdachloser in der Coronakrise: »Dabei sind Obdachlose besonders schutzbedürftig. Denn mit ihren Mehrfacherkrankungen gehören sie zu den besonders vulnerablen (verletzlichen, d. Red.) Gruppen. Die Stadt leistet also aktuell nicht mal das Allernotwendigste: die Schwächsten vor Infektionen zu schützen. Obwohl es doch eigentlich so einfach wäre: Hotelzimmer! Die stehen gerade zu Abertausenden leer.«

Die Hansestadt habe in den vergangenen Jahren ihre Hilfsangebote für Wohnungslose deutlich aufgestockt, hielt Martin Helfrich, Sprecher der Sozialbehörde, den Kritikern entgegen: »Das Winternotprogramm ist eine Maßnahme, um Notlagen abzuwenden - es bietet ein niedrigschwelliges Angebot, damit obdachlose Menschen nicht der Witterung ausgesetzt sind.« Darüber hinaus werde den Betroffenen auch eine »kostenfreie warme Mahlzeit« angeboten sowie »umfangreiche Beratungsangebote, Dolmetscher, Hilfe bei Erledigungen mit Behörden, Waschgelegenheiten, Möglichkeiten zum Wäschewaschen, medizinische Visiten usw.« Die Sammelunterkünfte öffnen um 17 Uhr ihre Pforten, die Besucher müssen sie am nächsten Morgen ab 9.30 Uhr aber wieder verlassen.

Mittlerweile sei es durch private Initiative gelungen, eine größere Anzahl von Plätzen in leer stehenden Hotels zu finanzieren, so Stephan Karrenbauer, Sozialexperte des Straßenmagazins »Hinz&Kunzt«. Dirk Ahrens, Landespastor und Herausgeber von »Hinz&Kunzt«, unterstrich: »Diakonie, Alimaus (katholische Hilfseinrichtung, d. Red.) und ›Hinz&Kunzt‹ haben mittlerweile 90 Obdachlose mit Hilfe von Spendengeldern in Hotelzimmern untergebracht. Wir ermutigen die Stadt, uns darin zu folgen.« Ein Tabakkonzern hatte wie im vergangenen Jahr 300 000 Euro gespendet, um diese Aktion zu ermöglichen.

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