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Madrid ist dem Schnee nicht gewachsen
Außer der U-Bahn gibt es in Spaniens Hauptstadt kein zuverlässiges Verkehrsmittel mehr
Eine Frau schmeißt sich auf die pinke Strand-Luftmatratze und rutscht damit bäuchlings den eingeschneiten Hügel hinunter. In dem Park im nordwestlichen Madrid schneit es noch den ganzen Samstag. Die Fußgänger stehen bis zu den Knien im kalten Weiß, das Outfit haben sie mit Müllsäcken winterfest gemacht. Weiter im Zentrum der spanischen Hauptstadt treffen sich Skifahrer, die umringt von einer jubelnden Menschentraube die Treppen zu einem öffentlichen Park hinunterfahren.
So viel Schnee sieht man in Spanien selten. Seit Jahrzehnten haben die Madrilenen so etwas nicht mehr erlebt. Und man merkt es ihnen an. Kinder und Erwachsene spielen draußen, TV-Journalisten versuchen vor laufender Kamera die Eisfläche auf einem Teich zu brechen, die Verwaltung ist verloren. Obwohl es jedes Jahr ein bisschen schneit, aber sonst bleiben die Flocken nicht liegen, lösen sich in dem Moment auf, in dem sie den Grund berühren. Diesmal haben sie die Infrastruktur der Stadt zusammenbrechen lassen.
Teller und Rand ist der neue ndPodcast zu internationaler Politik. Andreas Krämer und Rob Wessel servieren jeden Monat aktuelle politische Ereignisse aus der ganzen Welt und tischen dabei auf, was sich abseits der medialen Aufmerksamkeit abspielt. Links, kritisch, antikolonialistisch.
Der Wintereinbruch hat die Autofahrer überrascht, die ohne Winterreifen auf den Straßen stranden. Angestellte sitzen in ihren Arbeitsstätten fest. Busse, Züge und S-Bahnen fahren zunächst nicht und auch der Flughafen bleibt geschlossen. Mühsam beginnen die Räumarbeiten, doch die Mittel dazu fehlen. Obwohl die rechtskonservativen Regierungen der Region und der Stadt Madrid seit Wochen betonen, dass man auf einen Wintereinbruch vorbereitet sei, gibt es weder ausreichend Salz noch Schneeräumfahrzeuge. Andalusien sendet elf Stück, um die Hauptstädter zu unterstützen. Doch es reicht nicht.
Während manche Madrilenen am Sonntag mit Faszination Radlader filmen, die die Straßenräumung unterstützen, werden die Probleme anderswo spürbar. Die Wasser- und Heizversorgung ist in manchen Häusern eingebrochen, weil das Wasser in den Rohren gefroren ist. Die Stadtwerke informieren, dass sie nichts tun können, weil sie an die Rohre nicht herankommen. Aus dem Schnee ist Eis geworden, das die Straßen überzieht.
Bei nächtlichen Minusgraden im teils zweistelligen Bereich haben die Straßenreiniger*innen keine Chance, als sie mit Schaufeln auf den spiegelglatten Grund einhacken, der den Weg zwischen Haus und Supermarkt bedeckt und die Ernährung zu einer Herausforderung macht. Regale sind leer, weil die Lieferungen nicht ankommen. Die Metro ist das einzige Verkehrsmittel, mit dem man sich noch zuverlässig in der Stadt bewegen kann.
Mehr als 18 Prozent der Bäume hat der Schnee mit seinem Gewicht beschädigt. Die Zweige liegen auf Autos und versperren die Wege. Daneben stapeln sich die Müllsäcke auf den Containern. Nichts geht mehr. Das bezieht sich auch auf die Corona-Impfungen, die, wie in anderen europäischen Ländern mit Verzögerung durchgeführt werden. Gleichzeitig steigen die Zahlen in der dritten Welle an und man hat es mit einer 14-Tage-Inzidenz von über 500 zu tun. Dazu kommt nun der Schnee.
Mehr als 2000 Verletzungen vermeldeten die lokalen Krankenhäuser am vergangenen Wochenende. Dabei verzögerten viele Leute die Entscheidung, ins Krankenhaus zu gehen. Es war unmöglich die Rettung zu erreichen und es war unmöglich für die Rettung, die Verletzten zu erreichen. Über den Kurznachrichtendienst Telegram organisierten sich die Nachbarschaften, um Besitzer von Geländefahrzeugen mit den Mitmenschen in Not zu verbinden. Pragmatismus, Freude und Unbeholfenheit prägen den Wintereinbruch in Madrid.
Auch Tage danach finden sich noch Überreste von Schneemännern in der Stadt, die eher Schneeskulpturen sind. Noch lange werden die Bilder in Erinnerung bleiben, von der Schneeballschlacht auf der Gran Vía, einer der größten Straßen der Stadt, oder den Hundeschlitten, die durch die Straßen zogen, neben den Langläufern und Snowboardern. Während die Sonne den Schnee von den Dächern schmilzt, rutschen die Madrilenen an den Hauswänden entlang, unter den glitzernden Spitzen der Eiszapfen, aber auch unter der Wäsche, die wie gewohnt draußen auf der Leine hängt und auf den zentimeterhohen Schnee tropft.
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