- Wirtschaft und Umwelt
- Carrefour
Supermärkte als strategische Infrastruktur
Verkauf der französischen Einzelhandelskette Carrefour scheitert an Veto-Ankündigung der Regierung
So schnell kann es gehen: Erst vergangene Woche wurde bekannt, dass der kanadische Einzelhandelskonzern Couche-Tard die zweitgrößten französische Supermarktkette Carrefour übernehmen will, schon haben die beiden Konzerne die Pläne wieder auf Eis gelegt, wie sie am Wochenende mitteilten. Vorangegangen war eine Ansage der französischen Regierung, notfalls ein Veto gegen die Fusion einzulegen. Ihr Argument ist in Zeiten der Corona-Pandemie beachtlich.
Gemäß dem Gesetz über die Kontrolle ausländischer Investitionen sei für die Fusion das grüne Licht der Regierung nötig, erklärte Frankreichs Wirtschaftsminister Bruno Le Maire Ende vergangener Woche. Carrefour sei jedoch aus zweierlei Gründen von strategischer Bedeutung: Erstens sei das Unternehmen mit 105 000 Beschäftigten in Frankreich der größte private Arbeitgeber. Zweitens sei Carrefour mit einem Anteil von 19,5 Prozent am französischen Einzelhandelsmarkt »unverzichtbar für die Sicherheit der Nahrungsgüterversorgung der Bevölkerung«. Lediglich die Einzelhandelskette Leclerc hat mit 22 Prozent einen noch größeren Marktanteil.
Le Maire unterstrich, dass sich gerade in der gegenwärtigen Coronakrise einmal mehr gezeigt habe, welch wichtige Rolle die großen Handelsgruppen mit ihrem Netz von Supermärkten spielen. Das dürfe man nicht leichtfertig ausländischen Unternehmen mit vorrangig finanziellen Interessen überlassen, meint der Minister. Marktexperten geben zu bedenken, dass auch der vorrangige Vertrieb von Produkten der französischen Landwirtschaft und Nahrungsgüterindustrie auf dem Spiel steht zugunsten ausländischer Produkte, die unter weniger strengen Umweltvorschriften erzeugt wurden.
Das Gesetz über die Kontrolle ausländischer Investitionen durch den Staat wurde bereits 1966 unter Präsident Charles de Gaulle erlassen und seitdem wiederholt verschärft. Es soll vor allem die französische Rüstungsindustrie und ihre Zulieferer, aber auch andere Infrastruktur- und High-Tech-Unternehmen von strategischer Bedeutung vor dem Zugriff ausländischer - vor allem chinesischer, aber auch US-amerikanischer - Interessenten schützen. Durch ein Regierungsdekret vom Januar 2020 wurde die Lis-te strategisch wichtiger und darum speziell zu schützender Bereiche auf den Handel mit Agrarerzeugnissen ausgeweitet. Der Grund war die Besorgnis über massive chinesische Investitionen in die französische Milchproduktion, in die Agrarindustrie und in Ackerland. Bereits 2005 hatte die Regierung den Verkauf des Molkereikonzerns Danone an den US-Konzern Pepsi Cola verhindert.
Wie inzwischen bekannte wurde, hatte die kanadische Gruppe Couche-Tard bereits im Dezember Gespräche mit der Carrefour-Direktion aufgenommen und Anfang Januar schriftlich ein Übernahmeangebot abgegeben. Pro Aktie wollte Couche-Tard 20 Euro zahlen. Insgesamt wäre der Deal damit 20 Milliarden Euro schwer gewesen. Der Aufsichtsrat beauftragte den Vorstandsvorsitzenden Alexandre Bompard, Verhandlungen mit Couche-Tard aufzunehmen.
»Bompard hat uns versichert, dass es sich um ein freundliches Übernahmeangebot handelt und dass er zuversichtlich ist, dass die Operation zustande kommt«, erklärte ein Gewerkschafter. So sollte es keine Umstrukturierungen und keine Einschnitte für die Beschäftigten geben. Carrefour hat weltweit 321 000 Mitarbeiter und 1600 Filialen. Im Ausland ist die Gruppe vor allem in China präsent, aber auch in Südamerika und Osteuropa. 2019 machte der Konzern einen Umsatz von 80 Milliarden Euro. Der Gewinn betrug 1,3 Milliarden Euro.
Couche-Tard zählt dagegen nur 130 000 Mitarbeiter. Der Konzern ist hauptsächlich mit kleineren Geschäften in Kanada und den USA aktiv. Er ist aber finanzstark und seit Jahren durch Zukäufe gewachsen. Dagegen ist der Wert der Carrefour-Aktie seit 2007 von 50 Euro langsam, aber stetig auf gegenwärtig 15 bis 17 Euro gefallen. Das hat seine Ursache in der Konkurrenz durch Amazon und andere Internethändler sowie durch die deutschen Discounter Lidl und Aldi, die immer mehr Supermärkte in Frankreich eröffnen.
Daher wurden bereits im September 2019 Gespräche zwischen Carrefour und der Supermarktkette Casino über eine mögliche Annäherung beider Unternehmensgruppen aufgenommen. Bislang führten diese Verhandlungen zu keinen konkreten Ergebnissen, aber unter dem Druck der jüngsten Entwicklungen könnten diese Verhandlungen eine neue Dynamik bekommen.
Wir behalten den Überblick!
Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!