Clubhouse: iPhone und Promi-Adel verpflichtet

Nadia Shehadeh fragt sich, ob die neue App »Clubhouse« sich durchsetzen kann

  • Nadia Shehadeh
  • Lesedauer: 4 Min.

Ich weiß, es wurde schon viel zur (relativ) neuen App »Clubhouse« gesagt: Dass sie vielleicht das neue Supergutfind-Netzwerk der Zukunft ist, ein digitaler Ort, in den man nur mit »Einladung« reinkommt, dazu nicht barrierefrei, da alles auf Audio-Funktionen basiert. Dass innerhalb der App in »Räumen« kommuniziert wird, in denen man als stille_r Zuhörer_in an Diskussionen oder Vorträgen lauschen, sich aber auch für eigene Wortbeiträge melden kann. Und dass natürlich bereits die ersten Kackbroschen auf der App unterwegs sind: rassistische, antisemitische und sexistische Arschlöcher zum Beispiel.

Nadia Shehadeh
Nadia Shehadeh ist Soziologin und Autorin, wohnt in Bielefeld und lebt für Live-Musik, Pop-Absurditäten und Deko-Ramsch. Seit 2019 ist sie Kolumnistin des "Missy Magazine", außerdem seit vielen Jahren Mitbetreiberin des Blogs Mädchenmannschaft. Für "nd" schreibt sie die monatliche Kolumne "Pop-Richtfest".

Nutzen kann man das Ganze nur, wenn man über die richtige Technik verfügt: »Clubhouse« läuft bisher nur auf iOS. Wer beschwingt ist, kann sich Clubhouse als dynamischen Live-Talk, bei dem man selbst mitwirken kann, vorstellen. Oder man hat Pandemie-bedingt wie ich mittlerweile einen Hang zu eher dystopischen Fantasien und stellt sich einen zentralen Sammelort nerviger Zoom-Konferenzen ohne Videoimpressionen, dafür aber mit Veranstaltungsfeed vor. Nur, dass man auf »Clubhouse« statt auf verordneten und langweiligen Arbeitsmeetings in fancy Räumen mit schillernden Persönlichkeiten (oder peinlichen FDP-Politikern) zu interessanten Themen chillen und sich austauschen kann.

Aber bevor ich Euch weiter mit Dingen nerve, die ihr schon aus anderen Texten (oder durch erstes Ausprobieren von »Clubhouse«) kennt, dachte ich, ich teile meine wunderliche Vergangenheit als Mitbetreiberin eines sozialen Netzwerkes mit Euch. Und das war so:

Als sich Ende des letzten Jahrzehnts der Niedergang von StudiVZ und das Aufblühen von Facebook irgendwo in der Mitte trafen, bastelte ich an einem Social-Media-Angebot mit, das zwar Zeit seines Lebens (drei Jahre) keinen durchschlagenden Erfolg in Deutschland hatte, es aber immerhin auf 10.000 Nutzer_innen bundesweit brachte. Das wiederum bedeutete, dass eigentlich alle, die sich bei uns registrierten, bei uns keine Freund_innen wiederfinden konnten, sondern nur auf einen Haufen random fremder Leute stießen. Was zur damaligen Zeit, als webbasierte Netzwerke noch dazu da waren, alte Bekannte zu treffen, ein ziemlicher Abturn war. Wir konnten (bis auf ein paar lokale Rap-Größen, weil Kleinstadtrapper damals noch ein Thema waren) keine Prominenten vorweisen, was jetzt auch nicht dafür sorgte, dass unsere Nutzerzahlen in die Höhe schossen. Schnell wurde klar: Wir hatten einen kleinen, wenn auch süßen Rohrkrepierer gebastelt, den Leute nicht nutzen wollten, weil fast niemand da war, und so mussten wir irgendwann die Server kündigen und den Stecker ziehen und uns selbst bei Facebook anmelden – einfach, weil dort mittlerweile alle waren.

Heute, eine Dekade später, sieht der Markt schon anders aus. Das mit dem »alte Bekannte im Netz wiederfinden« ist durchgelutscht ohne Ende, manchmal sogar extrem belastend, und natürlich ist es nicht unbedingt aufregend, mit losen Bekannten bei Instagram verbunden zu sein, die man eigentlich schon vor vielen Jahren nervig fand. Stattdessen stehen heute Reichweiten und digitale Kapital-Akkumulierung auf dem Plan - und da lockt »Clubhouse« mit der künstlichen Verknappung durch Invites, reichhaltigen Talks und dem süßen Versprechen eines exklusiven Publikums – mit dem man sich dann eventuell auch vernetzen kann.

Ob sich das Ganze durchsetzt, kann ich aber natürlich nicht einschätzen: Weder kann ich hellsehen, noch als Android-Nutzerin derzeit »Clubhouse« ausprobieren. »Eine App, die man gut für Live-Talks durchaus auch nebenbei laufen lassen kann, die nicht statisch ist, und die in diesen ersten Tagen auf jeden Fall Re:publica-Feeling verbreitet hat«, so lautet das Fazit der Bloggerin und Bildungsreferentin Niloufar Behradi-Ohnacker. Es könne ihrer Meinung aber auch passieren, dass »Clubhouse« mit sehr vielen Inhalten geflutet wird und es so unüberschaubar wird; es sich im schlechtesten Fall also in ein Laber-4Chan verwandelt, im besten Fall in einen vielfältigen Ort des Austauschs. Auf beides bin ich gespannt. Und wenn ich dann irgendwann selbst mitmachen kann, werde ich versuchen, ein paar abgehalfterte Kleinstadtrapper aufzutreiben, um mit ihnen einen Talk über alte Zeiten zu organisieren. Versprochen.

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