Die EU will den Dollar digital einholen

EZB und Kommission arbeiten gemeinsam am Projekt eines E-Euros

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.

Direkt vor der Vereidigung des neuen amerikanischen Präsidenten zeigte Präsidentin Ursula von der Leyen Flagge. Ihre Europäische Kommission legte am Dienstag eine neue Strategie vor, mit der das Wirtschafts- und Finanzsystem gestärkt werden soll. Brüssel will in den kommenden Jahren den Euro gegenüber dem Dollar als internationale Leitwährung aufwerten. Dazu soll weiterhin die Arbeit der Europäischen Zentralbank (EZB) an der möglichen Einführung eines digitalen Euro unterstützt werden.

Um das Projekt voranzutreiben, soll eine gemeinsame Arbeitsgruppe von EZB und EU-Kommission unter anderem an technischen Lösungen arbeiten. »Wir brauchen einen digitalen Euro. Das erfordert die Digitalisierung der Wirtschaft und des Finanzwesens«, sagte Vize-Kommissionspräsident Valdis Dombrovskis am Mittwoch in Brüssel gegenüber europäischen Medienvertretern. In den nächsten fünf Jahren soll der digitale Euro dann laut dem Zeitplan kommen.

Vorausgegangen war eine öffentliche Anhörung. Bürger, Unternehmen und Finanzmarktakteure konnten sich in den vergangenen drei Monaten äußern. Über 8200 Stellungnahmen nahm die EZB entgegen. Am wichtigsten waren den Teilnehmern Datenschutz und Sicherheit. Verbraucher- wie Datenschützer wünschen sich offenbar, dass die erwogene Digitalwährung genauso anonym verwendbar ist wie Bargeld. Einen vollständigen Bericht über die eingegangenen Antworten wird die EZB erst später vorstellen.

Zustimmung kam in Deutschland, wenig überraschend, vom Digitalverband Bitkom. In einer ausführlichen Stellungnahme begrüßte auch die Deutsche Kreditwirtschaft (DK) die Initiative. Auf der einen Seite sieht die Dachorganisation der Banken und Sparkassen die Chance zu größerer Wettbewerbsfähigkeit Europas, auf der anderen Seite aber auch die Gefahr, dass die »Geometrie« des europäischen Bankensystems grundlegend verändert wird.

Zurückhaltend äußerte sich auch Bundesbankchef Jens Weidmann. So könnten zukünftig Spareinlagen direkt bei der EZB landen, was Kreditinstituten eine günstige Refinanzierungsquelle kosten und sie gegenüber US-Banken schwächen würde. Bei den Überlegungen hinsichtlich digitalem Zentralbankgeldes - oder eines digitalen Euro innerhalb des Eurosystems - müsse sich die EZB fragen: »Wie kann digitales Zentralbankgeld das gesteckte Ziel erreichen, ohne dass die anderen Ziele der Notenbanken wie Preisstabilität und Finanzstabilität beeinträchtigt werden?«, mahnt der Vertraute von Kanzlerin Merkel.

Beim digitalen »E-Euro« geht es in der Sache um die Überführung von physischem Bargeld in die digitale Welt. Befürworter versprechen sich vor allem eine weitere Beschleunigung der Geldströme. Einer der größten Vorteile wären blitzschnelle und kostengünstige Überweisungen, vor allem über Landesgrenzen hinweg. Hinzu kommen mögliche Vorzüge wie die Automatisierung von Transaktionen. So könnte zukünftig ein Kühlschrank bemerken, dass die Milch-Packung leer ist; das mit dem Internet verbundene Gerät bestellt dann neue Milch, bezahlt wird mit E-Euro. Die digitale Währung könnte also Produkte für das »Internet der Dinge« zum Durchbruch verhelfen. Deshalb ist auch ein großer Teil der Industrie dafür.

An sich ist digitales Geld nicht neu. Private Haushalte und Unternehmen halten in großem Umfang Bankeinlagen, die in der Praxis nichts anderes sind als digitales Geld. Hinzu kommt, dass Geschäftsbanken digitale Forderungen gegenüber der Zentralbank haben. Zahlreiche Punkte sind allerdings vollkommen neu. Soll ein digitaler Euro nur Banken oder auch für den allgemeinen Gebrauch bereitgestellt werden? Soll der E-Euro über eine dezentrale Datenbank, wie es das Blockchain-System möglich macht, oder über ein herkömmliches Datenbanksystem ausgegeben werden? Im Oktober hatten die Bahamas als erstes Land einen digitalen »Sand Dollar« eingeführt. Und auch China testet in vier Städten einen digitalen Yuan.

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