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Personal ist am Ende
Veranstaltungsreihe der Linksfraktion will Bestandsaufnahme mit Perspektiven der Kämpfe im Gesundheitsbereich verknüpfen
Die Arbeitsbedingungen in der Alten- und Krankenhauspflege sind meist miserabel, die Bezahlung überwiegend schlecht. Daran hat die Corona-Pandemie kaum etwas geändert. In der zweiten Welle hat sich die Situation in vielen Einrichtungen sogar verschlechtert. Selbst um die »Corona-Prämie« von 1500 Euro gab es ein bürokratisches Gezerre. Viele gingen leer aus.
In einer sechsteiligen Online-Veranstaltungsreihe will die Linksfraktion im Bundestag neben einer Bestandsaufnahme der Lage in Kliniken und Pflegeheimen auch Möglichkeiten und Perspektiven der Kämpfe von Beschäftigten in der Gesundheitsversorgung erörtern und setzt dabei vor allem auf den Austausch von Betroffenen.
Den Anfang machte am Donnerstagabend eine mit zeitweilig über 120 Teilnehmenden recht gut besuchte Veranstaltung mit dem Titel »Ein bisschen Zuckerbrot, viel Peitsche: Wo stehen wir im Kampf um Aufwertung der Pflegearbeit?«
Ein düsteres Bild zeichnete Ulla Hedemann, die an der Berliner Charité in der Schwerpunktklinik für Pneumologie und Immunologie im Pflegedienst arbeitet. Personalmangel, fehlende Planungssicherheit und phasenweise auch Materialengpässe prägten den Arbeitsalltag. Zwar seien Kollegen aus anderen klinischen Bereichen abgeordnet und Medizinstudenten zur Unterstützung eingestellt worden, doch die seien den speziellen Anforderungen im Umgang mit Corona-Patienten nicht so ohne weiteres gewachsen. »Wir hätten die Zeit zwischen erster und zweiter Welle nutzen müssen, um diese Kräfte systematisch zu schulen, denn wir wussten ja, was auf und zukommen wird«, beklagt Hedemann, die auch dem Aufsichtsrat angehört. Viele erfahrene Pflegekräfte seien »sehr unzufrieden mit der Pflegequalität, die den eigenen Ansprüchen nicht mehr genügt«. Auch sie selbst habe angesichts des permanenten Arbeitsdrucks »einfach Angst, folgenschwere Fehler zu machen. Und von den Arbeitgebern kam immer nur durchhalten, durchhalten.«
Enttäuscht ist Hedemann auch von der Politik. Nachdem eine u.a. von ihr initiierte Petition für grundlegende Reformen in der Gesundheitsversorgung im April sehr viele Unterstützer fand, habe Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) einen »offenen Dialog auf Augenhöhe« versprochen. Doch das öffentliche Gespräch sei dann eine »Selbstbeweihräucherungsveranstaltung« gewesen. Positiv bewertet Hedemann, dass immer mehr Beschäftigte nicht mehr bereit sind, alles klaglos hinzunehmen. Das habe sich bei der letzten Tarifauseinandersetzung gezeigt.
Auch Benjamin Gampel, der als Krankenpfleger am Klinikum Augsburg arbeitet, berichtet von untragbaren Arbeitsbedingungen. Der ohnehin problematische Betreuungsschlüssel sei unter Corona-Bedingungen nicht geändert worden, obwohl der zeitliche Aufwand etwa durch das ständige An- und Ablegen der Schutzkleidung beträchtlich gestiegen sei. Sein Fazit: »Das Personal ist ausgelaugt, psychisch wie physisch.« Es gebe Tage, »da fühle ich mich wie im Feldlazarett, mit Schichten, in denen drei bis vier Patienten sterben. Und man muss einfach weitermachen«. Keine der Forderungen der Personalvertretungen sei umgesetzt worden.
Ähnlich schilderten zahlreiche Chatgäste in der von Harald Weinberg, Sprecher der Linksfraktion für Krankenhauspolitik, moderierten Veranstaltung die Situation. Allen Beteiligten war jedoch klar, es bedarf noch gewaltiger politischer und gewerkschaftlicher Anstrengungen, um diese Situation durchgreifend zu verbessern.
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