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Welche Nazikader waren im Klub?
Während manche Sportvereine und Sponsoren lieber vergessen, treiben Fans die Erinnerungskultur voran
Lange wollten Sportvereine ihre Verstrickungen im Nationalsozialismus nicht wahrhaben. Doch inzwischen hat sich besonders rund um den Fußball eine lebendige Erinnerungsarbeit entwickelt. Fans besuchen Gedenkstätten, Vereine knüpfen Partnerschaften mit Museen, Sozialarbeiter organisieren Workshops. »Wir sollten künftig noch mehr die Stadien einbeziehen«, sagt die Berliner Historikerin Juliane Röleke, die sich seit langem mit Erinnerungsarbeit im Fußball beschäftigt. Was hatten Fans im Dritten Reich beobachten können? Lagen ihre Stadien in der Nähe von Arbeitslagern oder KZ-Außenstellen? Wurden Sportanlagen für SS-Propagandaspiele oder als Sammelplätze für Deportationen genutzt? Auf viele dieser Fragen gibt es noch unzureichend Antworten.
Seit 17 Jahren prägt das Fußballnetzwerk »Nie Wieder« die Bildungsarbeit im Fußball. Auch in diesem Jahr finden rund um den Internationalen Holocaust-Gedenktag an diesem 27. Januar Veranstaltungen statt, meist digital. Doch noch gibt es Forschungslücken, findet Röleke, die mit Berliner Fans die Geschichte von Hertha BSC im Dritten Reich untersucht hat. Wie gehen etwa Bundesligasponsoren in ihrer Unternehmensgeschichte mit ihrer Rolle im Nationalsozialismus um? »Es gehört schon fast zum guten Ton, sich mit dem Nationalsozialismus zu beschäftigen, aber es passiert in einer relativ unkritischen Art und Weise«, sagt Röleke. »Es wäre auch wichtig, die Zeit nach 1945 in den Blick zu nehmen. Wer genau hat die Vereine wiederaufgebaut?« Das Verbot des Frauenfußballs 1955 wurde größtenteils von DFB-Funktionären forciert, die einst in der NSDAP gewesen waren.
In den vergangenen Jahren haben Fans und Historiker Öffentlichkeit für verfolgte jüdische Sportler und Funktionäre geschaffen, für Julius Hirsch, Gottfried Fuchs oder Kurt Landauer. Weniger Aufmerksamkeit erhielten prominente Täter in den Vereinen. Eine Ausnahme: Otto Harder, einer der wichtigsten Spieler des Hamburger SV in den 1920er Jahren. Harder wurde 1932 Mitglied der NSDAP und trat 1933 in die SS ein, später arbeitete er als Wachmann in mehreren Konzentrationslagern. »Harder wurde auch nach 1945 noch geehrt und als Vorbild angesehen«, sagt die Politikwissenschaftlerin Paula Scholz, die an der KZ-Gedenkstätte Neuengamme an einer Ausstellung über den Hamburger Fußball im Nationalsozialismus mitgewirkt hatte. Ihre Forschungen gestalteten sich mitunter schwer. »Die großen Vereine haben in der Regel Archive«, sagt Scholz, doch bei kleineren Vereinen oder Landesverbänden sehe das anders aus: »Und wenn es die Archive gibt, sind es vielerorts Räume im Keller, die gar nicht öffentlich sind.«
An etlichen Bundesliga-Standorten sind Partnerschaften zwischen Vereinen, Fanprojekten, Gedenkstätten und Stadtarchiven entstanden. Wichtig sei es, das Wissen über die Vergangenheit in die Gegenwart zu übertragen. »Der Antisemitismus äußert sich sehr vielseitig«, sagt Pavel Brunßen, der sich seit Jahren wissenschaftlich mit Diskriminierungsformen im Fußball beschäftigt, aktuell auch in seiner Promotion an der University of Michigan. Brunßen hat Beispiele für Antisemitismus analysiert: Hassgesänge von Fans auf Reisewegen, die Schändung eines jüdischen Friedhofes oder Attacken auf Makkabi, »als Blitzableiter für Wut über den Israel-Palästina-Konflikt, wo ein jüdischer Verein in Haftung genommen wird«.
Weniger problematisiert wird der Antiziganismus, die Feindschaft gegen Sinti und Roma. Vielerorts nutzen Fans, Profispieler und Jugendkicker das Wort »Zigeuner« als Schimpfwort zur Abgrenzung, sagt Brunßen: »Der Begriff ist geschichtlich aufgeladen und transportiert Stereotype. Und wenn dann doch mal öffentlich darüber gesprochen wird, heißt es immer: es ist nicht so gemeint, und es ist doch gar kein Problem.« Zahlreiche Gruppen und Aktivisten, die sich gegen Rechtsextremismus stark machen, werden von Neonazis angefeindet. Pavel Brunßen wünscht sich daher eine »zentrale Antidiskriminierungsstelle, die langfristig arbeiten kann und an niemanden gebunden ist«. Eine Institution, die lokales Wissen vernetzt.
Was könnten neue Etappen in der Erinnerungsarbeit sein? Der Berliner Verein »Gesellschaftsspiele«, der Veranstaltungen zu Fußball, Politik und Kultur organisiert, pflegt den internationalen Austausch. Wie zum Beispiel 2018: Damals reisten 21 Fans aus Deutschland und der Ukraine nach Kiew. Sie besuchten auch die Schlucht Babyn Jar, wo die Nazis 1941 an zwei Tagen mehr als 33 000 Juden ermordet hatten. Die deutschen Fans merkten in Diskussionen, dass sie ihr politisches Koordinatensystem nicht ohne weiteres auf die Ukraine übertragen können. »Es kann sein, dass internationale Partner anders auf LGBTIQ oder die Kolonialgeschichte blicken als wir«, sagt Rico Noack von »Gesellschaftsspiele«. »Gleichzeitig sollten wir aber auch nicht den mitteleuropäischen Wertekompass auf die Partnerorganisationen anlegen.« Ein Prozess der Abwägung.
In diesem Jahr erinnert das Bündnis »Nie Wieder« besonders an Menschen, die wegen ihrer sexuellen und geschlechtlichen Identität ausgegrenzt wurden und werden. »Der Sport gehört zur Lebensrealität von vielen Menschen«, sagt die Politikwissenschaftlerin Nina Reip, die die Geschäftsstelle des Netzwerks »Sport und Politik« leitet. »Es gibt im Sport gute Anknüpfungspunkte, über die junge Menschen eine emotionale Verbindung zu dem aufbauen können, was damals passiert ist.« Reip wirkte an einem digitalen Rundgang durch die KZ-Gedenkstätte in Dachau bei München mit. In einer Zeit, in der immer weniger Zeitzeugen berichten können, werden Formate wie diese zunehmend die Gedenkkultur prägen.
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