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Die Not mit der Betreuung in Kitas und Hort
Kitas und Horte trotz strenger Regeln gut gefüllt / Deutlich erhöhtes Infektionsrisiko für Erzieherinnen
Wo verläuft die Grenze zwischen Not- und Normalfall? Die Frage stellt sich momentan in vielen Krippen, Kitas und Horten. Dort findet derzeit nur »Notbetreuung« für Kinder statt, deren Eltern in so genannten systemrelevanten Berufen und Branchen arbeiten. Das sind aber sehr viele. In Sachsen wollten Anfang Januar 28 Prozent der Krippen- und Kitakinder sowie 9,4 Prozent der Hortkinder »notbetreut« werden. Man hoffe, der Bedarf sei damit gedeckt, sagte Mischa Woitscheck, Geschäftsführer des Städte- und Gemeindetages: »Weitere Steigerungen wären mit dem Sinn und Zweck der Notbetreuung kaum vereinbar.« Zwei Wochen später aber sind die Werte auf 36 bzw. 14 Prozent gestiegen. Örtlich liegen sie noch höher. Die Gewerkschaft GEW erklärte, teils seien mehr als die Hälfte der Kinder in den Einrichtungen. Im Nachbarland Sachsen-Anhalt verweist sie gar auf Quoten von bis zu 80 Prozent. Abstand sei so nicht mehr zu halten, sagt GEW-Landeschefin Eva Gerth. Bundesweit nehmen einer aktuellen Umfrage des »Redaktionsnetzwerks Deutschland« (RND) rund ein Drittel der Kita-Kinder die Notbetreuung in Anspruch.
Eigentlich soll diese »nur in sehr restriktivem Rahmen gewährt« werden, heißt es etwa im sächsischen Sozialministerium. Durch die faktische Schließung von Einrichtungen solle »die Entstehung von Infektionsketten vermieden bzw. verzögert« werden. Die Corona-Schutzverordnung des Freistaats listet auf, welche Eltern ihre Kinder dennoch betreuen lassen können: Beschäftigte in Krankenhäusern und Polizei, Post und Energieversorgung, Medien oder Nahverkehr. Allerdings gebe es »Interpretationsspielräume«, sagt Inga Blickwede, zuständige Referentin der Diakonie Sachsen, die Träger von 270 Kitas ist. Neben dem öffentlichen Personennahverkehr etwa seien auch »zugehörige Infrastrukturunternehmen« benannt. Derlei Hintertüren werden von Eltern offenbar rege genutzt. Gleiches gilt für die Regelung, wonach Notbetreuung möglich ist, wenn ein Elternteil in einer kritischen Branche arbeitet und die Betreuung vom anderen »nicht abgesichert werden kann«. Bescheinigungen, wonach das der Fall ist, würden »offensichtlich zu leichtfertig« ausgestellt, sagt Uschi Kruse, GEW-Landeschefin in Sachsen.
Ob die Angaben der Eltern und Arbeitgeber auf einem entsprechenden Formblatt zutreffen, muss die jeweiligen Kita selbst prüfen. Das sorge für Konflikte, sagt Blickwede. Eltern empfänden Entscheidungen als Willkür, die Einrichtungen wiederum sähen sich unter Druck gesetzt. Sie spricht von einem »Kampf zwischen Leitungen und Eltern«, der das eigentlich erforderliche Vertrauensverhältnis belaste. Wird er indes gescheut, sind die Kitas und Horte schnell voll. Zumindest in Streitfällen solle eine übergeordnete Instanz entscheiden, in Dörfern beispielsweise der Bürgermeister, sagt Blickwede. Auch Kruse sagt, die Einrichtungen würden mit den Konflikten »allein gelassen«. Sie sieht die Träger in der Pflicht, über Betreuung oder Abweisung zu entscheiden.
Die starke Nutzung der Notbetreuung ist ein Problem, weil damit »Familien, die zwingend darauf angewiesen sind, und das Personal einem zu hohen Infektionsrisiko ausgesetzt« würden, sagt Kruse. Zumindest für letztere lässt sich das in Zahlen belegen. Beschäftigte in Betreuung und Erziehung von Kindern seien unter allen Berufsgruppen »am stärksten von Krankschreibungen im Zusammenhang mit Covid-19 betroffen«, sagt die AOK unter Verweis auf eine Analyse des Wissenschaftlichen Instituts der AOK. Dort wurden Krankschreibungen von März bis Oktober ausgewertet. Im Durchschnitt waren von 100 000 Versicherten 1183 wegen Corona krank; im Erziehungsbereich waren es 2672, eine mehr als doppelt so hohe Quote. Lange ging man davon aus, dass Schulen und Kitas keine Hotspots der Pandemie seien. Die Zahlen zeigen etwas anderes. »Viele Kollegen«, sagt Kruse, »sind höchst verunsichert.«
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Sie müssten auch Anlass sein, neu darüber nachzudenken, unter welchen Prämissen Regeln gelockert werden können. In Sachsen soll Mitte Februar entschieden werden, ob in einen »eingeschränkten Regelbetrieb« zurückgekehrt wird, bei dem Gruppen und Klassen strikt getrennt und von festen Personen betreut werden. Erzieherinnen haben zuvor erstmalig Anspruch auf einen Corona-Schnelltest. Lehrer, die anders als Erzieherinnen beim Land angestellt sind, dürfen sich im Freistaat dagegen regelmäßig testen lassen. Diese Ungleichbehandlung sei »nicht befriedigend«, so Kruse. Blickwede plädiert für weitere »anlassbezogene« Schnelltests, deren Kosten das Land den Trägern erstatten solle. Sie hält es auch für geboten, das Kita-Personal »zügig« zu impfen. Auch die GEW Sachsen-Anhalt, die in einem Brief an Regierungschef Reiner Haseloff (CDU) die Missstände bei der Notbetreuung beklagt, verlangt darin, Erzieherinnen »früher als bisher geplant ein Impfangebot zu unterbreiten«. Derzeit gehören sie zur dritten von vier Gruppen.
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Das könnte helfen, vom Not- wieder in einen Normalbetrieb überzugehen. Man dürfe, sagt Blickwede, auch in der Krise »die frühkindliche Bildung nicht aus dem Blick verlieren« und müsse »allen Kindern und Familien wieder Kita-Zeit ermöglichen« – unabhängig vom Beruf der Eltern.
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