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Aus der Zeit gefallen
Die Friedens- und Sicherheitspolitik der Linkspartei bedarf eines Updates, meint Alex Veit.
Ist die Friedens- und Sicherheitspolitik der Linkspartei aus der Zeit gefallen? Der Bundestagsabgeordnete und sicherheitspolitische Sprecher der Linksfraktion, Matthias Höhn, behauptete vergangene Woche in einem Thesenpapier, seit der Parteigründung 2007 und der Erarbeitung des aktuellen Grundsatzprogramms 2011 habe sich die Welt verändert – linke Sicherheitspolitik aber nicht. Daher müsse die Linke reagieren, eine Diskussion führen und ihre Programmatik an die neue Lage anpassen. Der abschlägige Bescheid des Parteivorstands kam prompt. Man sehe »keinen Anlass, von den friedenspolitischen Positionen der Partei abzurücken«, heißt es in einem Beschluss.
Doch die Diskussionsverweigerung des Vorstands wird nicht von Dauer sein können. Denn in einem hat Höhn recht: Die Friedens- und Sicherheitspolitik der Partei bedarf eines Updates. In Osteuropa und rund um das Mittelmeer sind eine ganze Reihe von bewaffneten Konflikten und Kriegen entstanden, zu denen die Partei keine vernehmbare Position einnimmt. Nach Eurokrise, Brexit und Demokratiezerfall in mehreren Mitgliedsstaaten steht die Zukunft der Europäischen Union in Frage. Auch die globale Klimakrise, Flucht vor politischer Verfolgung, Krieg und Umweltzerstörung sowie die Zunahme autoritärer Regierungsführung in allen Weltregionen stellen große außenpolitische Herausforderungen dar. Doch weder die Parteiführung noch Höhn stellen sich diesen aktuellen Problemen.
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Stattdessen werden von der Wirklichkeit überholte Streitigkeiten neu aufgelegt. Ein zentraler Punkt ist etwa die leicht verklausulierte Forderung von Höhn, die Bundeswehr an Blauhelmmissionen der Vereinten Nationen zu beteiligen, was vom Parteivorstand und von anderen Stimmen abgelehnt wird. Doch neue UN-Friedensmissionen mit nennenswertem Einsatz von bewaffneten Soldaten sind derzeit nicht zu erwarten. In der Tat wurde von der UN seit fast sieben Jahren keine neue Blauhelmmission mehr auf den Weg gebracht. Die Gründe dafür sind vielfältig. Einer ist die Verlagerung des globalen Konfliktgeschehens in den arabischen sowie in den postsowjetischen Raum. In beiden Regionen verfolgen verschiedene Großmächte gegensätzliche Interessen, so dass sie die Konfliktlösung nicht den Vereinten Nationen überlassen wollen. Zweitens ist das gegenseitige Misstrauen der ständigen UN-Sicherheitsratsmitglieder stark gestiegen, wodurch das Gremium nicht länger entscheidungsfähig ist. Stattdessen greifen immer mehr Länder militärisch in bewaffnete Konflikte und Kriege in der europäischen Nachbarschaft ein, von der Ukraine über Syrien, Jemen und Libyen, offen oder notdürftig verdeckt, vor allem jedoch auf eigene Faust.
Drittens schließlich hat sich allgemeine Ernüchterung über die Effektivität von Blauhelmmissionen breitgemacht. Manchen Interventionen gelang es, offene Kriegsgewalt einzudämmen. Doch an der Schaffung einer stabilen, demokratischen und zukunftsfähigen Friedensordnung scheitern sie. Ein aktuelles Beispiel ist die UN-Mission Minusma in Mali, an der die Bundeswehr beteiligt ist: Zwar konnten islamistische Rebellen in den vergangenen Jahren zurückgedrängt werden. Doch im August erfolgte der zweite Militärputsch innerhalb weniger Jahre, während sich bewaffnete Konflikte auf andere Landesteile ausgebreitet haben. Selbst in Frankreich, dem zentralen Akteur, wird die Sinnhaftigkeit des Einsatzes angezweifelt.
Mit dem Streit über militärische Fragen kann die Linke wenig beitragen zu einer besseren Friedens- und Sicherheitspolitik. Wichtiger wäre zu diskutieren, welche alternativen Ansätze die Grundlage linker Friedenspolitik sein können. Für eine politische Partei, die zentral für soziale Gerechtigkeit im Inland eintritt, liegt die Antwort eigentlich nahe: globale soziale Gerechtigkeit, ein menschenwürdiges Auskommen und klimaverträgliche Entwicklung im globalen Maßstab. Diese Ziele verfolgt die Partei zwar offiziell, doch ein konsistentes politisches Programm oder eine breite sachkundige Diskussion über konkrete Schritte fehlen. Statt darüber zu diskutieren, wogegen die Partei ist, müsste geklärt werden, wofür sie ist und welche Schritte sie durchsetzen würde, sollte sie in absehbarer Zeit in Regierungsverantwortung kommen. Statt roter Verteidigungslinien wäre also die Ausarbeitung eigener Zukunftsvorhaben ratsam.
Alex Veit ist Friedens- und Konfliktforscher an der Universität Marburg.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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