Die Hölle der Frauen

In Polen demonstrieren erneut Tausende Menschen gegen das verschärfte Abtreibungsrecht

  • Ulrike Wagener
  • Lesedauer: 3 Min.

Rote Blitze haben sich am Mittwochabend erneut auf den Straßen Warschaus versammelt. Nur wenige Stunden nach Veröffentlichung des verschärften Abtreibungsgesetzes durch die rechtskonservative PiS-Regierung, versammelten sich Tausende Menschen mit brennenden Fackeln und Regenbogenflaggen auf der Straße und hielten Plakate mit Aufschriften wie »Das bedeutet Krieg« in die Höhe. Die Demonstrant*innen zogen vom Obersten Gerichtshof zum Sitz der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS).

Zu den Demonstrationen aufgerufen hatte die Frauenrechtsaktivistin Marta Lempart von der Organisation Frauenstreik. »Macht eurem Ärger heute Luft, wie ihr es könnt«, sagte sie. Medienberichten zufolge gab es trotz des wegen der Corona-Pandemie geltenden Versammlungsverbots Proteste in 51 polnischen Städten. »Ganz Polen mobilisiert sich, nicht nur in Warschau«, sagte Mitorganisatorin Klementyna Suchanow. »Wenn wir von der Hölle der Frauen sprechen, können wir auch von der Hölle der Regierung sprechen«, sagte sie. »Wir werden euch das zur Hölle machen.« In den Sozialen Netzwerken schrieben Aktivist*innen unter dem Hashtag pieklokobiet: »Die Hölle der Frauen«. Für die kommenden Tagen sind weitere Proteste und Straßenblockaden angekündigt.

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Seit diesem Donnerstag sind in Polen nun fast alle Schwangerschaftsabbrüche verboten. Ausnahmen gelten nunmehr bei Lebensgefahr für die Frau oder nach Straftaten wie z.B. einer Vergewaltigung. Damit wurde das umstrittene Urteil des Obersten Gerichtshofs vom Oktober 2020 rechtskräftig, das eine Abtreibung bei einem schwer fehlgebildeten oder schwer erkrankten Föten für verfassungswidrig erklärte. Dies umfasste etwa 96 Prozent aller legalen Abbrüche in Polen, wo schon zuvor die striktesten Abtreibungsgesetze Europas galten. Im vergangenen Herbst protestierten wochenlang Hunderttausende Menschen gegen das Urteil. Das Europaparlament hatte die Entscheidung des polnisches Verfassungsgerichts »auf das Schärfste« verurteilt, hieß es.

Die frauenpolitische Sprecherin der Linkspartei, Cornelia Möhring, sagte am Donnerstag gegenüber »nd.DerTag«: »Der polnische Staat hat sich spätestens heute von der Anerkennung der Menschenrechte verabschiedet. Wer Frauen zwingt, dass sie gegen ihren Willen schwanger bleiben, missachtet sie als Menschen. Die Bundesregierung muss sich hier verhalten und das klar verurteilen. Sie muss sich an die Seite der Freiheitsbewegung stellen und klare Kante gegen christlichen Fundamentalismus zeigen.«

In Polen gibt es jährlich weniger als 2000 legal vorgenommene Schwangerschaftsabbrüche. Frauenrechtsorganisationen schätzen, dass pro Jahr etwa 200 000 Polinnen illegal abtreiben oder dafür ins Ausland gehen. Frauenrechtlerinnen befürchten, dass diese Zahl noch steigt, wenn das Urteil des Obersten Gerichts nun umgesetzt wird. Die frauenpolitische Sprecherin der Grünen, Ulle Schauws, sagt dem »nd«: »Diese unhaltbare Situation spitzt sich immer weiter zu und zu befürchten ist eine Zunahme illegaler Schwangerschaftsabbrüche, die für Frauen gefährlich sein könnten.« Für Freitag hat das Bündnis Dziewuchy Berlin (Mädels Berlin) zu einer Solidaritätsdemonstration in Berlin aufgerufen. Anna Krenz vom Bündnis- kritisiert die Entscheidung. Sie sagt dem »nd«: »Die polnische Regierung nutzt das Thema Abtreibung - wie die meisten autoritären Regierungen - um die Gesellschaft zu spalten. Eine geteilte und gespaltene Gesellschaft ist leichter zu regieren.« Mit Agenturen

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