+++ Zahl der Todesfälle im Dezember so hoch wie zuletzt vor 50 Jahren +++

Der Newsblog zur Coronakrise - Freitag, 30. Januar 2021: +++ SPD-Chefin Esken fordert Änderung der Impfreihenfolge +++ DGB warnt vor hoher Durchfallerquote unter Lehrlingen +++

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Wiesbaden. Im Monat Dezember sind in Deutschland so viele Menschen gestorben wie seit rund 50 Jahren nicht mehr. Wie das Statistische Bundesamt am Freitag in Wiesbaden mitteilte, starben nach vorläufigen amtlichen Informationen bundesweit mindestens 106.607 Menschen. Mehr als hunderttausend Sterbefälle in einem Dezember hatte es demnach zuletzt 1969 gegeben, als weltweit die sogenannte Hongkong-Grippepandemie wütete. Auch Deutschland war betroffen.

Die Zahl der Verstorbenen im Dezember 2020 lag dabei nach Angaben des Statistischen Bundesamtes um 29 Prozent oder fast ein Drittel über dem durchschnittlichen Monatsvergleichswert für 2016 bis 2019. Die Differenz betrug etwa 24.000. Das Robert-Koch-Institut (RKI) meldete für den vergangenen Dezember 20.043 Todesfälle von Menschen mit einer durch Labortests bestätigten Corona-Infektion.

Für das Gesamtjahr 2020 errechneten die Statistiker auf Basis vorläufiger Daten einen Anstieg der Sterbefallzahlen um fünf Prozent gegenüber dem Vorjahr 2019. Von den Standesämtern wurden bislang 982.489 Todesfälle übermittelt, das waren 42.969 mehr als im Jahr zuvor. Dafür verantwortlich war demnach ein Anstieg der Todesfälle bei den über 80-Jährigen. Dort gab es gegenüber 2019 ein Plus um rund acht Prozent oder 41.152 auf mindestens 576.646.

In die Entwicklung der Zahl der Sterbefälle fließen den Angaben zufolge auch kalendarische und demografische Entwicklungen ein, so etwa der steigende Anteil älterer Menschen an der Bevölkerung. Allein dadurch, dass 2020 ein Schaltjahr mit einem zusätzlichen Tag gewesen sei, ergebe sich ein Anstieg um 3000 gegenüber 2019.

Eine Rolle spielte dabei aber auch, dass die Zahl der Menschen im Alter von mehr als 80 Jahren sich im Jahresvergleich laut der sogenannten Bevölkerungsvorausberechnung um etwa vier bis fünf Prozent erhöht habe. Insgesamt wäre ohne »Sonderentwicklungen« für 2020 ein Anstieg der Sterbefallzahlen um ein bis zwei Prozent zu erwarten gewesen, teilte das Statistische Bundesamt weiter mit.

Zu den »Sonderentwicklungen« gehörte den Experten zufolge unter anderem auch eine erhöhte Zahl von Sterbefällen im August, die offensichtlich mit einer Hitzewelle zusammenhingen. Dies sei in den Sommermonaten häufiger zu beobachten. Zugleich stiegen die Sterbefallzahlen in den ersten drei Monaten während der typischen Grippesaison nicht so stark wie etwa in den Jahren 2017 und 2018.

Dagegen fiel die Zunahme der Sterbefallzahlen im April und dann zunehmend wieder ab Mitte Oktober im Vergleich zu den Vorjahren deutlich aus. Zeitgleich nahm auch die Zahl der Menschen zu, die laborbestätigt an Corona-Infektionen erkrankt waren.

+++ RKI meldet 839 weitere Tote +++

Berlin. Wie das Robert-Koch-Institut (RKI) am Freitagmorgen unter Berufung auf Angaben der Gesundheitsämter mitteilte, wurden binnen eines Tages weitere 14.022 Ansteckungsfälle in Deutschland registriert. Nach Angaben des RKI wurden zudem 839 Todesfälle im Zusammenhang mit Coronavirus-Infektionen innerhalb von 24 Stunden gezählt. Die Gesamtzahl der verzeichneten Corona-Toten in Deutschland erhöhte sich damit auf 55.752. Die sogenannte Sieben-Tage-Inzidenz ging weiter zurück und lag am Freitag bei 94,4. Am Vortag war dieser Wert erstmals seit drei Monaten unter die Marke 100 gesunken. Die Sieben-Tage-Inzidenz geht seit Wochen zurück, ihren bislang höchsten Stand hatte sie am 22. Dezember mit 197,6 erreicht. Bei der Sieben-Tage-Inzidenz handelt es sich um die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern innerhalb dieses Zeitraums. Ziel der Bundesregierung ist es, den Wert auf unter 50 zu drücken.

+++ Heil fordert Corona-Zuschuss für Hilfsbedürftige +++

Berlin. Hilfsbedürftige wie Hartz-IV-Empfänger sollten nach Ansicht von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil neben kostenlosen FFP2-Masken auch einen finanziellen Zuschuss erhalten. Der SPD-Politiker wies in der »Augsburger Allgemeinen« darauf hin, dass mit der Schließung sozialer Einrichtungen oder Büchereien viele Alltagshilfen wegfielen, die hilfsbedürftige Menschen sonst nutzen können. Hinzu kämen steigende Kosten etwa für Strom oder die Förderung der Kinder. »Hilfsbedürftige Menschen treffen die lang andauernden Maßnahmen besonders hart«, betonte Heil. »Ich will deshalb einen Corona-Zuschuss für hilfsbedürftige Menschen mit dem die größten Belastungen ausgeglichen werden können. Corona darf nicht zur sozialen Spaltung unserer Gesellschaft führen.«

+++ SPD-Chefin Esken fordert Änderung der Impfreihenfolge +++

Berlin. Angesichts möglicher Alters-Einschränkungen für den Corona-Impfstoff von Astrazeneca hat SPD-Chefin Saskia Esken ein verändertes Vorgehen bei den Impfungen in Deutschland gefordert. Es müssten nun umgehend alternative Impfstoffe für über 65-Jährige beschafft werden, sagte Esken den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Freitagsausgaben). Zudem müsse die Reihenfolge der Impfungen mit dem Astrazeneca-Mittel neu organisiert werden. »Vor allem Klinik- und Pflegepersonal sollten als erste von den nun freien Ressourcen profitieren«, forderte die SPD-Vorsitzende. Die europäische Arzneimittelbehörde EMA entscheidet an diesem Freitag über eine Zulassungsempfehlung für Astrazeneca-Vakzin. In Deutschland soll das Mittel des britisch-schwedischen Unternehmens voraussichtlich jedoch nur an Menschen unter 65 Jahren verabreicht werden, wie aus einer am Donnerstag bekanntgewordenen Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) hervorgeht. Das Gremium begründet dies damit, dass zur Beurteilung der Impfeffektivität des Mittels bei Menschen ab 65 Jahren »aktuell keine ausreichenden Daten« vorlägen.

+++ DGB warnt vor hoher Durchfallerquote unter Lehrlingen +++

Berlin. Der DGB warnt davor, dass in diesem Jahr wegen des Corona-Lockdowns deutlich mehr Lehrlinge durch ihre Abschlussprüfung fallen könnten als gewöhnlich. Die Bundesregierung solle deshalb »schnellstens« ein Förderprogramm für die Prüfungsvorbereitungen von Auszubildenden auflegen, forderte die Vizechefin des Deutschen Gewerkschaftsbunds, Elke Hannack, in einem Interview des Redaktionsnetzwerks Deutschland. Die Azubis bräuchten einen Anspruch auf eine kostenfreie zusätzliche Prüfungsvorbereitung, sagte die Gewerkschafterin. Diese könne von den Kammern, aber auch mit Hilfe der Gewerkschaften und der Berufsschulen angeboten werden. Zudem sollten die Lehrlinge vor ihrer Prüfung für zusätzliche Lerntage von ihren Betrieben freigestellt werden. Es sei auch im Interesse der Unternehmen, »wenn ihre Auszubildenden die Prüfungen gut bestehen«. Hannack verwies darauf, dass seit März 2020 die Berufsschulen immer wieder geschlossen worden seien, sich viele Betriebe derzeit im Lockdown befänden und Jugendliche oft im Homeoffice und nicht im Unternehmen ausgebildet würden. »Viele Auszubildende, die in diesem Sommer ihre Abschlussprüfung machen, haben gut die Hälfte ihrer Ausbildungszeit in einem Ausnahmezustand gelernt.«

+++ Umfrage: Große Mehrheit lehnt Feiern in Pandemie ab +++

Frankfurt am Main Die große Mehrheit der Menschen in Deutschland (70 Prozent) hält Feiern in der Corona-Pandemie für inakzeptabel. Wie eine Umfrage für das evangelische Monatsmagazin »chrismon« ergab, zeigt sich dabei ein Unterschied zwischen den Generationen: Während drei Viertel der über 60-Jährigen sich an Feiern in Zeiten der Pandemie stören, sind es unter den 14-bis 29-Jährigen nur 56 Prozent. Für die Erhebung interviewte das Institut Kantar Emnid 1.012 Menschen. Sie wurden gefragt, welche Verhaltensweisen sie auf keinen Fall akzeptieren.

+++ Mexiko nun mit den drittmeisten Corona-Toten +++

Mexiko-Stadt. Mexiko hat Indien als Land mit den drittmeisten offiziell registrierten Toten infolge der Coronavirus-Pandemie abgelöst. Mexikos Gesundheitsministerium verkündete am Donnerstag (Ortszeit), dass in den vergangenen 24 Stunden 1506 neue Todesfälle im Zusammenhang mit einer Covid-19-Erkrankung gemeldet worden seien. Die Gesamtzahl seit Beginn der Pandemie stieg damit auf 155.145. Indien kommt bislang auf 153.847 Tote. Das südasiatische Land hat rund 1,3 Milliarden Einwohner - zehnmal so viele wie Mexiko, das an zehnter Stelle der bevölkerungsreichsten Länder liegt.

Mit 1.825.519 bestätigten Infektionen liegt das nordamerikanische Land weltweit an 13. Stelle. Dass die Zahl der Fälle in Mexiko vergleichsweise niedrig ist, liegt vor allem daran, dass dort extrem wenig auf das Coronavirus getestet wird. Experten gehen auch davon aus, dass die wahre Zahl der Corona-Toten in Mexiko deutlich höher ist als die offizielle - allein bis zum 12. Dezember starben im vergangenen Jahr nach Regierungsangaben knapp 275.000 mehr Menschen in Mexiko als im Durchschnitt der Jahre 2015 bis 2018.

Mexiko begann bereits am 24. Dezember als erstes Land Lateinamerikas, seine Bürger - mit dem Präparat des Mainzer Unternehmens Biontech und des US-Konzerns Pfizer - gegen das Coronavirus zu impfen. Bislang wurden allerdings erst etwas mehr als 650.000 Dosen verabreicht. Auch Mexikos Staatspräsident Andrés Manuel López Obrador wird seit Sonntag nach eigenen Angaben wegen leichter Covid-19-Symptome behandelt. Er hat die Gefahr des Virus und den Nutzen durch das Tragen von Masken immer wieder heruntergespielt. Agenturen/nd

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