Mit der U-Bahn in die Natur

Wasser, Wald und Gipfelkreuz: Auch im Berliner Stadtgebiet finden sich reichlich spannende Wanderrouten. Ein Spaziergang durch Tegel

  • Christiane Flechtner
  • Lesedauer: 4 Min.

Warum nicht mal auf den Spuren berühmter Vorfahren wandeln? Die Gebrüder von Humboldt sind im Berliner Norden aufgewachsen. Unweit des Tegeler Sees haben sie im weißen Schinkel-Schloss ihre Kindheit verbracht. Während der Naturwissenschaftler Alexander in der Welt herumreiste und später im Berliner Zentrum wohnte, hat der Geisteswissenschaftler Wilhelm später mit seiner Frau Caroline stets hier gelebt. So kann man sich bei der Wanderung auch gut auf die Spuren der beiden Brüder begeben.

Die Wanderung könnte an der Humboldt-Bibliothek in Tegel beginnen, wo eine Skulptur an die berühmten Brüder erinnert. Entlang des Tegeler Hafens gelangt man zur Greenwichpromenade, benannt nach dem Partnerbezirk Greenwich in London. Ein paar Schritte über die knallrote Sechserbrücke, die ihren Namen deshalb trägt, weil man für deren Überquerung vor 100 Jahren »einen Sechser« - also 5 Pfennig - bezahlen musste, erreichen Spaziergänger nach etwa zehn Minuten die »Dicke Marie«, den ältesten Baum Berlins. Die Humboldtbrüder haben die heute 900 Jahre alte Stieleiche als Kinder oft besucht, und von ihnen erhielt sie auch ihren speziellen Namen - sie dachten dabei an die beleibte Köchin des Schlosses.

Weiter führt der Weg am Tegeler See entlang, der mit einer Fläche von 450 Hektar nach dem Müggelsee der zweitgrößte See Berlins ist. Links das Blau des Wassers und rechts das Grün des Tegeler Forsts, geht es etwa fünf Kilometer durch die Naturlandschaft. Da der Tegeler Forst eine der größten zusammenhängenden Waldflächen Berlins darstellt, laufen einem beim Wandern ab und zu auch Füchse, Damwild oder Wildschweine über den Weg.

Das Wort »Tegel« entstammt übrigens einem slawischen Wurzelwort, das »Anhängsel« bedeutet. Und genau dies ist der Tegeler See: Er ist ein Anhängsel der Havel und bildet eine rund fünf Kilometer lange verzweigte Ausbuchtung des langen Flusses. Somit können Wanderer den See auch nur umrunden, wenn sie einige Brücken überqueren

Nur etwa zwei Kilometer von Tegel entfernt scheint die Zeit stillzustehen. Nur ganz langsam bahnt sich das Wasser seinen Weg durch nahezu unberührte Natur. Die Hektik der Großstadt weit weg, ist das Tegeler Fließ ein ganz besonderer Ort. Er hätte sicherlich viel zu erzählen, könnte er reden. Schon Tausende Jahre alt, handelt es sich dabei um eine eiszeitliche Abflussrinne, die sich durch den Berliner Norden auf 17,3 Kilometern in Richtung des großen Urstromtals schlängelt und später in den Tegeler See mündet. Hier sagt die Eiszeit noch »Hallo«, und man kann sich leicht vorstellen, wie die Naturgewalten diese Landschaft über Jahrtausende geformt hat. Die Wanderwege sind den Windungen des Gewässers angepasst, und hinter jeder Ecke offenbart sich ein neues Naturpanorama.

Plötzlich tauchen hinter den Feuchtwiesen schwarze Riesen auf: Wasserbüffel begrasen fleißig rund 25 Hektar des Tegeler Fließes. »Sie dienen uns als lebendige Rasenmäher«, so erklärt es Bezirksbürgermeister Frank Balzer auf Anfrage. So würden sie jeweils im Frühling von Besitzer Helmut Querhammer aus dessen Stall in Spandau hierhergebracht. »Aufräumen und Abholzen wäre Gift für dieses sensible Biotop, doch die Art und Weise, wie Wasserbüffel die Flächen bearbeiten, ist rundum positiv«, so Balzer.

Auch, was die jüngere Geschichte Deutschlands betrifft, ist dieser Weg interessant. Wer weiter geht, wird nämlich zum Grenzgänger - ein Holzsteg führt von Berlin direkt nach Brandenburg. Eine breite sandige Fläche ist auch heute noch Symbol für die deutsch-deutsche Teilung: Hier stand einmal die Berliner Mauer, und daneben verlief der Todesstreifen. Übrigens ist das Ziel der Fließtal-Wanderung Lübars, Berlins ältestes Dorf, in dem auch heute noch Landwirtschaft betrieben wird. Vom Dorfanger an der historischen Kirche führt ein Bus der Linie 222 wieder an den Ausgangspunkt zurück.

Wer hoch hinaus will, nimmt sich am besten eine Wanderung zum Gipfelkreuz vor. Keine Panik - das Kreuz befindet sich in nur 69 Metern Höhe und ziert den Ehrenpfortenberg im Tegeler Forst, die höchste natürliche Erhebung des Bezirks. Nicht nur Alpinisten schmunzeln über diese »Höhe«, doch auch wenn es nicht der höchste Berg Berlins ist und ein lächerlicher Aufstieg im Auge der Bergwanderer, so ist ein Spaziergang dorthin durchaus reizvoll.

Der Ehrenpfortenberg trägt seinen Namen bereits seit mehr als 300 Jahren. Das hat mit Kurfürst Friedrich III. zu tun: Anlässlich seiner Krönung zum König wurden im Jahr 1701 zu seinen Ehren Ehrenpforten in ganz Berlin errichtet - eine davon auf dem Adlerberg, der seitdem Ehrenpfortenberg heißt. Das Kreuz, das inmitten von Bäumen den kleinen Gipfel ziert, wurde vor rund drei Jahrzehnten errichtet. Es ist vermutlich das einzige Gipfelkreuz Berlins und auch schon aus diesem Grund ein perfektes Ziel für eine Waldwanderung. Dort lässt sich am Holztisch mit Bänken ein leckeres Picknick gut schmecken. Zudem hat der besondere Ort auf der Anhöhe auch etwas Mystisches an sich. Und wer einmal dort war, den zieht es immer wieder dorthin zurück.

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