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Portugal-Hilfseinsatz am Parlament vorbei
Verteidigungsausschuss erfährt aus der Presse vom Einsatz der Parlamentsarmee
Das Verteidigungsministerium bereitet einen Hilfseinsatz für das von der Coronakrise stark betroffene Portugal vor und wertet bereits seit vergangenem Freitag die Ergebnisse eines Erkundungsteams aus. Seit Sonntag lesen sich die Informationen des »Spiegel«, als sei der Einsatz des Notfallteams mit 27 Ärzten und Sanitätern bereits beschlossen. Bislang ohne Kenntnis über diese Pläne ist jedoch der Verteidigungsausschuss des Bundestages. Der Sprecher der Linksfraktion Tobias Pflüger kritisierte im Gespräch mit »nd« das Vorgehen der Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU): »Der Einsatz wird öffentlich diskutiert, und ein Erkundungsteam ist in Portugal. Die Mitglieder des zuständigen Verteidigungsausschusses wurden, wie bei dieser Ministerin üblich, wieder einmal nicht vorinformiert. Zugleich ist unklar, ob Portugal diese Hilfe wirklich angefordert hat«.
Gelegenheit die Obleute des Verteidigungsausschusses zumindest über die Pläne in Kenntnis zu setzen, hätte es durchaus gegeben, denn in der vergangenen Woche, während die Erkundungsreise bereits lief, tagte der Ausschuss regulär am Mittwoch. Ein Bundestagsmandat ist für diese Art der Einsätze nicht notwendig. »Grundsätzlich erwarte ich jedoch von der Bundesregierung, dass in derartigen Fällen der Verteidigungsausschuss zügig unterrichtet wird und wir als Obleute dies nicht nur ausschließlich über die Presse erfahren«, bemängelt auch Verteidigungspolitiker Tobias Lindner von den Grünen das Vorgehen des Ministeriums.
»Aus Respekt vor dem Parlament kann ich zu diesem Zeitpunkt noch keine Stellung nehmen«, sagte die Sprecherin des Verteidigungsministeriums Christina Routsi am Montag in der Regierungspressekonferenz und kündigte eine öffentliche Stellungnahme auf den Ministeriumsseiten für den Abend an, nachdem das Coronakabinett das Parlament offiziell informiert habe. Dass dieser Hilfseinsatz stattfindet, daran hat auch die Bundestagsabgeordnete Siemtje Möller (SPD) keinen Zweifel: »Die Bundeswehr schickt am Mittwoch ein Team von Ärzten und Sanitätern zur Unterstützung in der Corona-Pandemie in das schwer getroffene Portugal«, verkündete sie in einer Mitteilung am Montagnachmittag. »Die Soldatinnen und Soldaten sollen unter anderem in Alten- und Pflegeheimen Schnelltests durchführen und das portugiesische Personal unterstützen. Das ist gelebte europäische Solidarität und kein bewaffneter Einsatz.«
Auch der Regierungspartner CDU sieht den Einsatz als Profilierungsmöglichkeit und angesichts der Pandemie als dringend geboten an. »Auf die Bundeswehr ist gerade in schwierigen Zeiten Verlass. Auch unsere europäischen und transatlantischen Partner können sich auf die Bundeswehr verlassen«, sagte Henning Otte (CDU). »Solange wir über Kapazitäten verfügen, ist es richtig, unseren Nachbarn in Not zu helfen. Gemeinsam zu handeln und sich gegenseitig zu unterstützen ist zur Überwindung der Covid-19-Pandemie die beste Strategie.« Auch Tobias Lindner begrüßte das Engagement der Bundeswehr. Die Pandemie mache nicht vor Landesgrenzen halt, daher unterstütze er es, wenn die Bundeswehr hilft, wo sie helfen kann. »Als die Bundeswehr im vergangenen Frühjahr Patienten aus Italien nach Deutschland zur Behandlung transportierte, war das ein gutes Zeichen der Solidarität«, sagte Lindner
Tobias Pflüger warnte im Gespräch davor, dass die Coronaeinsätze der Bundeswehr auch als Werbemaßnahmen dienen könnten. »Dies ist auch einer der Gründe, warum die Soldatinnen und Soldaten diese - individuell sicher beeindruckenden - Hilfsaufgaben in Uniform machen müssen.« Kramp-Karrenbauer gebe dies auch offen zu, so Pflüger. Die laufende Amtshilfe im Zusammenhang mit Corona dürfe ebenfalls nicht dazu genutzt werden, administrative und polizeiliche Aufgaben auf die Bundeswehr zu delegieren. Pflüger begrüßt, dass Vorstößen des baden-württembergischen Innenministers Thomas Strobl (CDU) in dieser Hinsicht bisher nicht nachgegeben wurde.
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