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Generationenwechsel verschoben
In Vietnam endet der Kongress der Kommunistischen Partei wegen Covid-19 vorzeitig und mit einem alten Bekannten an der Spitze
Hier geht es nicht weiter. Die Straße ist gesperrt. Ein Zaun steht mitten auf der Fahrbahn und ein gelangweilt aussehender Polizist sitzt am Rand. Niemand darf in die Straße hinein oder aus ihr heraus, da hier eine Person wohnt, die positiv auf Covid-19 getestet wurde. Die Pandemie ist zurück in Vietnam, vermutlich verbreitet durch einen Flughafenmitarbeiter, der in Kontakt mit eingeflogenen Covid-Fällen kam. Seit Donnerstag verzeichnete das Land 276 Neuinfektionen (Stand Dienstagmittag), nach über zwei Monaten ohne das Virus.
Die neue Corona-Welle kommt zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Das vietnamesische Neujahrsfest steht kurz bevor, das wichtigste Fest im Jahr. Das ganze Land ist dann in Bewegung, um nach Hause zu den Familien zu fahren. Nun besteht die Furcht, dass das familiäre Wiedersehen dieses Jahr ausfallen muss. »Dann feiern wir halt zu Hause im kleinen Kreis«, sagt Duong Thi Tuyen. Die zugezogene Hanoierin sieht das pragmatisch, wie auch viele andere. »Lieber ein frühzeitiger neuer Lockdown als eine Ausbreitung des Virus und eine Gefährdung meiner Familie«, heißt es in einem Kommentar im Diskussionsforum der Nachrichtenplattform Vietnamexpress, der viel Zuspruch findet.
Teller und Rand ist der neue ndPodcast zu internationaler Politik. Andreas Krämer und Rob Wessel servieren jeden Monat aktuelle politische Ereignisse aus der ganzen Welt und tischen dabei auf, was sich abseits der medialen Aufmerksamkeit abspielt. Links, kritisch, antikolonialistisch.
Nicht nur das Neujahrsfest wird von Covid-19 beeinflusst. Auch der nationale Parteikongress der Kommunistischen Partei fiel dem Virus teils zum Opfer. Der Kongress ist das wichtigste politischste Ereignis im Land. Er findet alle fünf Jahre statt und entscheidet über die Spitzenposition von Partei und Regierung sowie über die zukünftige politische Ausrichtung. Eigentlich sollte der Kongress am Dienstag zu Ende gehen, doch die mehr als 1500 Delegierten aus ganz Vietnam reisten bereits einen Tag früher ab. Die wichtigste Entscheidung war da aber bereits getroffen.
Nguyen Phu Trong wurde zum dritten Mal zum Generalsekretär der Kommunistischen Partei gewählt und setzte damit gleich zwei Regeln außer Kraft. Erstens darf eine Person laut Verfassung nur zwei Amtszeiten bestreiten. Zweitens gibt es eine Altersgrenze - Trong ist 76 Jahre alt und deutlich über dieser Grenze. Gerüchte besagen außerdem, dass er im vergangenen Jahr wegen eines Schlaganfalls behandelt werden musste. Sein Gesundheitszustand ist also nicht stabil. Der Politiker sagte gegenüber der vietnamesischen Presse, dass er sich eigentlich zur Ruhe setzen wolle, aber bereit sei, falls die Pflicht rufen sollte. Trong wird wohl eine aktivere Rolle in der Entscheidung gespielt haben, als er es darstellt. Denn einer seiner beiden politischen Zöglinge fiel wegen schwerer Krankheit aus dem Rennen um das Amt aus. Ein zweiter fiel bei den Probewahlen der Partei im vergangenen Oktober durch. Um die Macht nicht an ein anderes Parteilager zu verlieren, musste Trong selbst noch einmal antreten und schaffte es sogar, dafür die Amtsdauer und Altersgrenze außer Kraft zu setzen. Die Machtübergabe an die nächste Generation in der Partei ist somit vertagt.
Die Neuigkeiten über den neuen alten Generalsekretär fanden in der Bevölkerung kaum eine Reaktion. Auch das vorzeitige Ende des Parteikongresses wurde stillschweigend zur Kenntnis genommen. »Ich hab keine Meinung dazu, ich interessiere mich nicht für die Regierung«, sagt die 32-jährige Nguyen Huong Mai. Längst nicht allen, doch einem großen Teil der jungen vietnamesischen Bevölkerung geht es so. Sie kennen nur ein System und ihnen geht es verglichen mit ihrer Elterngeneration wirtschaftlich besser. Vielmehr sorgt Mai sich um den erneuten Covid-Ausbruch und hofft, dass die Regierung ihr Versprechen hält, die Lage vor dem Neujahrsfest in den Griff zu kriegen.
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