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Sozialarbeit per Internet
Lichtenberg startet Projekt für digitale Partizipation von Kindern und Jugendlichen
Ob Videokonferenzen oder virtuelle Klassenräume - In der Pandemie wurden viele der täglichen Kontakte in den digitalen Raum verlagert. Lichtenberg, das sich selbst als »Mutterland der Bürgerbeteiligung« versteht, wie die Bezirksbeauftragte für Kinder- und Jugendbeteiligung, Manuela Elsaßer, bei einem Pressefrühstück am Donnerstagmorgen sagt, will sich den neuen Umständen anpassen. Da Bürger*innenbeteiligung nicht nur Erwachsene einschließen soll, will der Bezirk ein Projekt für die digitale Partizipation von Kindern und Jugendlichen starten. »Viele Entscheidungen werden über die Köpfe von Kindern und Jugendlichen hinweg getroffen«, sagt Anette Liepe, die für die digitale Kinder- und Jugendbeteiligung zuständig ist. Das soll sich nun ändern.
Medien in Jugendarbeit integrieren
In Kooperation mit der Zivilgesellschaft hat Liepe ein Konzept erarbeitet, das »die digitale Beteiligung für Kinder und Jugendliche mit sozialer und politischer Teilhabe verbinden soll. Dabei spielen digitale Medien eine entscheidende Rolle. «Kinder werden heute in ein unbegrenztes Internet hineingeboren», so Liepe. Diese Generation sei besser vernetzt, informiert und technisch ausgestattet als jede davor. Ziel müsse daher sein, Medienangebote in die allgemeine Jugendarbeit einzubeziehen und Kinder- und Jugendliche über möglichst vieles mitentscheiden zu lassen. Der digitale Prozess solle jedoch den analogen nicht ersetzen, sondern diesen vielmehr gleichwertig ergänzen. «Die tragende Kraft ist immer die Beziehungsarbeit», sagt Liepe.
Mitspracherecht bei Bildung gewünscht
Im Vorfeld wurden Kinder und Jugendliche unter anderem in Gemeinschaftsunterkünften für Geflüchtete, in der Straßensozialarbeit, Beratungsstellen und im Betreuten Wohnen gefragt, welche technischen Geräte sie benutzen und welchen Themen sie interessieren. 68 Prozent der Befragten gaben an, das Handy als primäres mobiles Endgerät zu nutzen. Erst dann folgten mit großem Abstand Konsole (32 Prozent), Tablet (29 Prozent) und Fernsehen (27 Prozent). Computer (10 Prozent) und Laptop (7 Prozent) spielten nur eine untergeordnete Rolle. Mehr Mitspracherecht wünschen sich die Kinder und Jugendlichen laut der Befragung des Bezirks insbesondere im Bereich Schule und Bildung, zum Beispiel in der Stundenplan- und Fächergestaltung (44 Prozent), in den Bereichen Freizeit (39 Prozent) und Sicherheit (39 Prozent). 29 Prozent wünschen sich mehr Mitsprache im Bereich Wohnen.
Bis Ende 2021 will Lichtenberg 40 digitale Endgeräte beschaffen und an Jugendeinrichtungen übergeben. Die Fachkräfte sollten Foren und Moderation zum Austausch über die Möglichkeiten und Ziele digitaler Kinder- und Jugendbeteiligung erhalten. Dort sollten Jugendliche die Möglichkeit bekommen, online abzustimmen oder Ideen zu sammeln und eigene Projekte mit- und weiterzuentwickeln, erklärt Liepe. Zudem soll der Jugendhilfeausschuss der Bezirksverordnetenversammlung regelmäßig digitale «Botschaften» mit Anliegen der jungen Menschen erhalten. Eine erste solche Botschaft sei schon rausgegangen. «Es gilt auszuloten, ob es eine authentische Partizipation ist», sagt die Beschäftigte der Leitstelle Kinder- und Jugendbeteiligung. Es soll also herausgefunden werden: Geht es um etwas Wichtiges? Und bewirkt es wirklich Veränderung?
Nicht alle können sich beteiligen
Bezirksbürgermeister Michael Grunst (Linke) ist von dem Vorhaben schon mal überzeugt: «Ich denke, dass das ein gutes Projekt wird», sagte er am Donnerstag. Es gibt aber auch Schwierigkeiten. Liepe erklärt, dass die Fachkräfte zwar einen großen Bedarf der Jugendlichen, sich zu beteiligen, sähen, es aber an Kapazitäten fehle. In Lichtenberg leben fast 50 000 Menschen unter 18 Jahre. Michael Junkert vom Jugendclub Linse begrüßt den neuen Fokus auf das Digitale. «Das wird auch noch nach der Pandemie wichtig sein, um auch Jugendliche zu erreichen, deren Sozialleben sich nun noch mehr im Digitalen abspielt», sagt er zu «nd». 40 Geräte für ganz Lichtenberg sei aber zu niedrig gegriffen. Das Pilotprojekt spricht darüber hinaus derzeit nur Jugendliche an, die Jugendeinrichtungen besuchen. Auf nd-Nachfrage sagt Liepe, dass in Zukunft auch vulnerable Jugendliche durch Straßensozialarbeiter*innen angesprochen werden sollen.
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