Archaische Monarchie
Thailands Regierung missbraucht die Krone als politisches Mittel
Ein bei der Regierung in Thailand beliebtes Mittel, politischen Widerstand zu ersticken, ist das antiquierte Gesetz der Majestätsbeleidigung. König Maha Vajiralongkorn hatte dabei persönlich angeordnet, das »lèse majesté«-Gesetz nicht länger anzuwenden. Die negativen Schlagzeilen dazu schienen ihm selber kontraproduktiv und peinlich. Doch Studentenproteste nicht nur gegen die Militärs, die sich 2014 an die Macht putschten, sondern auch gegen die bislang unantastbare Monarchie wurden vergangenes Jahr immer größer. Die Regierung zog die Reißleine und eröffnete am laufenden Band Strafverfahren gegen angebliche Kritiker der Monarchie.
Die zumeist jungen Leute, die unter anderem Steuerpflicht für das auf 40 Milliarden Dollar geschätzte Vermögen der thailändischen Krone fordern, dürften das Licht der Freiheit lange nicht mehr wiedersehen. Protestführer sind gleich mehrfach angeklagt worden und Richter zeigen sich gewöhnlich gnadenlos. So hat ein Gericht eben eine ehemalige Beamtin zu einer Rekordhaftstrafe von 43 Jahren und sechs Monaten verurteilt. Sie soll die Monarchie beleidigt haben. Ihr Vergehen: Die Frau wurde in 29 Anklagepunkten für schuldig befunden, Audioclips mit monarchiekritischen Kommentaren auf Facebook und YouTube geteilt zu haben. Nicht verfasst, sondern geteilt zu haben. Dabei zeigten sich die Richter noch gnädig. Sie reduzierten die Strafe von 87 Jahren um die Hälfte, weil sich die Angeklagte schuldig bekannte.
Das indes bringt die Kritik an der Monarchie nicht zum Schweigen. Vor einigen Monaten noch undenkbar, äußern sich Menschen im Land offen darüber, was sie von einem Königshaus halten, das über allen Gesetzen steht, auch wenn Thailand seit bald 90 Jahren nicht mehr eine absolute, sondern eine konstitutionelle Monarchie ist.
Doch Tabus purzeln im Land. Menschen legen ihre Angst vor Kritik am König ab, dagegen können auch die Daumenschrauben des Regimes nichts anhaben. Dies, obschon seit November mehr als 50 Personen unter dem drakonischen sogenannten Artikel 112 verhaftet und angeklagt wurden. Beispielsweise gehörte es sich, im Kino auch immer aufzustehen, wenn vor dem Film jeweils die Königshymne gespielt wurde. Inzwischen erhebt sich niemand mehr. Der 2016 verstorbene Monarch Bhumibol Adulyadej genoss Respekt. Sein Sohn, König Rama X, ist vorab noch die Galionsfigur konservativer Kreise und einer Elite, die unter dem Königshaus immer Privilegien genossen haben. Ihre Angst ist groß, diese zu verlieren.
Eben wurde auch der Oppositionelle Thanathorn Juangroongruangkit wegen Majestätsbeleidigung angeklagt. Der 42-jährige Jungpolitiker hatte vor zwei Jahren die politische Bühne betreten und stieg mit seiner neu gegründeten Partei »Future Forward« (Zukunft voraus) gleich zur drittstärksten Partei im Land auf. Nur: In den Monaten nach dem Wahlgang schaffte es die Regierung, den unliebsamen Neupolitiker loszuwerden. Seine Partei wurde unter fadenscheinigen Gründen verboten und der gewählte Thanathorn mitsamt Parteikollegen aus dem Parlament geworfen.
Unlängst machte Thanathorn darauf aufmerksam, dass Thailands Covid-Impfprogramm vollständig über eine Firma namens Siam Bioscience abgewickelt werde. Diese soll den AstraZeneca-Impfstoff in Lizenz herstellen und gleich regional in Südostasien vertreiben. Ein Milliardengeschäft. Nur: Bislang schrieb die Firma immer rote Zahlen - und hat keine Erfahrung mit der Massenproduktion von Impfmitteln. Der Haken daran, auf den Thanathorn aufmerksam machte: Siam Bioscience gehört dem König. Daher ist jetzt auch Thanathorn wegen Majestätsbeleidigung angeklagt. Der verurteilt die Klage als »politisch motiviert« und lässt sich nicht einschüchtern. »Das thailändische Volk verdient es, die Wahrheit darüber zu erfahren, was mit seinen Impfstoffen geschieht«, sagte er. Im Land gäbe es eine Reihe von großen Pharmakonzernen, die für eine solche Mammutaufgabe bestens gerüstet wären.
Auf Facebook schrieb Thanathorn: »Warum setzt sich die Regierung so sehr für ein privates Unternehmen ein? Gibt sie eigentlich zu, dass diesem privaten Unternehmen ein besonderes Privileg eingeräumt wurde?«
Thanathorn nimmt die Anklage gelassen. Bevor er Politiker geworden sei, sagte er vor Journalisten, er sei ein unbescholtenes Blatt und nie in Konflikt mit der Justiz gewesen. Inzwischen, sagte er lachend, könne er die Anklagen und Verfahren schon gar nicht mehr zählen.
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