Die großen Fische

Die Industrie verbraucht viel mehr Wasser als Privathaushalte

Protest der Initiative »Tesla stoppen« in Grünheide bei Berlin
Protest der Initiative »Tesla stoppen« in Grünheide bei Berlin

Die deutschlandweit wohl größten Wasserproteste der vergangenen Jahre fanden in Grünheide bei Berlin statt. Seit Tesla-Chef Elon Musk vor über fünf Jahren ankündigte, in Brandenburg eine Autofabrik errichten zu wollen, regte sich der Widerstand. Im Fokus: der hohe Wasserverbrauch und die Gefahr von Naturverschmutzung. Denn das 2022 errichtete Tesla-Werk steht in einem Trinkwasserschutzgebiet in einer der trockensten Regionen Deutschland. Im selben Jahr wurde ein Unfall bekannt, durch den mehrere Tausend Liter Chemikalien ausliefen, auch wenn laut der zuständigen Umweltbehörde nichts davon ins Grundwasser gelangte. Das Bündnis »Tesla den Hahn abdrehen« und die Bürgerinitiative Grünheide protestieren seit Jahren gegen die Fabrik und deren Erweiterung. Zwischenzeitlich besetzten Aktivist*innen von »Tesla Stoppen!« auch den von ihnen so getauften »Wasserwald«, der der Werksvergrößerung weichen soll.

Im bundesweiten Vergleich ist Tesla kein herausragend großer Wasserverbraucher. Eine Recherche der Investigativplattform »Correctiv« zeigte, dass das vor allem Kohle-Tagebaue, Chemiefirmen und die Nahrungsmittelindustrie sind. Diese verbrauchen ein Vielfaches der Privathaushalte in Deutschland. In mehreren ostdeutschen Bundesländern sind Kohlekonzerne Wasserschlucker Nummer eins, genau wie RWE in Nordrhein-Westfalen. Der Chemiekonzern BASF ist der größte Verbraucher bundesweit. Tesla hingegen gehört nicht einmal zu den zehn durstigsten Unternehmen Brandenburgs.

Trotzdem steht der Streit um die Autofabrik exemplarisch für das großindustrielle Wasserproblem in Deutschland, findet Inken Behrmann, die an der Uni Bremen zur Wasserknappheit in Ostdeutschland forscht. »Bei Tesla sieht man gut, dass Wasserrechte in Deutschland oft Verschmutzungsrechte sind.« Es gehe nicht nur darum, wie viel Wasser man verwenden, sondern auch wie viel dreckiges Wasser man in Gewässer oder das Abwasser einleiten darf. »Fragen nach Qualität und Quantität sind stark miteinander verknüpft«, so Behrmann. Wenn das Grundwasser durch Düngemittel oder Chemikalien so stark belastet werde, dass es nicht mehr als Trinkwasser gefördert werden kann, könne das auch zur Knappheit beitragen.

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Der Fall Tesla macht außerdem den ungerechten Umgang mit Wasserentnahmerechten deutlich. Bisher funktioniert das so: Siedelt ein neuer Konzern an, bekommt dieser Entnahmerechte zugeteilt. Wenn Gemeinden dann darauf reagieren und öffentliche Infrastruktur bauen, etwa für Arbeiter*innen und ihre Familien, ist das Wasserreservoir möglicherweise bereits ausgeschöpft und die Kommunen können keine neuen Schulen oder Kindergärten an die öffentliche Wasserversorgung anschließen – also faktisch nicht bauen. »Unter Umständen wird dann sogar die Bevölkerung reguliert, weil vorher der Industrie schon so große Entnahmerechte genehmigt wurden«, sagt Behrmann. Der für die Region um das Tesla-Werk zuständige Wasserverband Strausberg-Erkner hat bereits eine Regulierung des Wasserverbrauchs für Privatkunden ab 2030 angekündigt.

Für Behrmann ist klar, dass sich die Regelungen bei der Wasservergabe verändern müssen. Denn historisch gab es in Deutschland eher zu viel Wasser, das man loswerden wolle. »Jetzt haben wir aber eine neue Situation, worauf der rechtliche Rahmen nicht ausgelegt ist.« Noch sei es etwa so, dass die Wasserrechte für große Unternehmen teilweise auf Jahrzehnte genehmigt werden. Wenn sich die Wasserverfügbarkeit ändert, können die zuständigen Behörden deshalb nicht angemessen reagieren. Für eine Korrektur fehle es bislang aber an Präzedenzfällen.

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