Finanzaufsicht macht Banken Druck
Prämiensparen: Ausgleich für entgangene Zinsen
Im Durchschnitt geht es um 4000 Euro. Sparer, die einen langlaufenden und variabel verzinsten Sparvertrag aus der Zeit von vor 2004 haben, können unter bestimmten Umständen auf hohe Zins-Nachzahlungen hoffen.
Zwar schwelt der Streit zwischen Verbraucherzentralen und Kreditinstituten um diese »Prämiensparverträge« seit geraumer Zeit. Aber kürzlich hat die Aufsichtsbehörde Bafin, noch kurz vor dem Wechsel an ihrer Spitze, eine deutlich schärfere Gangart gegenüber Banken und Sparkassen eingelegt.
Vereinfacht gesagt bedeutet das: Einerseits haben solche hochverzinsten Verträge quasi einen Ewigkeitscharakter, anderseits haben Geldinstitute die Verträge gekündigt und ihre Zinszahlungen eingestellt.
Hoffnung am Runden Tisch
Erst Ende November 2020 hatte der Runde Tisch der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) stattgefunden. Das Thema: Zinsnachzahlungen bei Prämiensparverträgen. Ziel der staatlichen Finanzaufsicht war es, das besonders die Sparkassen auf ihre Kunden endlich eingehen. Doch das ist nach Auffassung der Verbraucherzentralen »kläglich gescheitert«. Im Februar machte die Bafin ernst: Der Bankwirtschaft wurde eine sogenannte Allgemeinverfügung angekündigt. Mit dieser sollen die Kreditinstitute gezwungen werden, auf alle ihre früheren und aktuellen Kunden, die einen Prämiensparvertrag besitzen, zuzugehen.
Insbesondere in Sachsen zeigt sich, dass Sparkassen lieber eine harte Linie fahren. Im Freistaat sind derer zwölf tätig. Bisher sind nur in Einzelfällen an betroffene Verbraucher Kompromissangebote gemacht worden, berichtet die Verbraucherzentrale Sachsen. Diese Angebote sind für viele Kunden nicht akzeptabel - etwa, wenn nur 10 Prozent des durch Gutachter ermittelten Nachzahlungsanspruchs angeboten werden.
»Jetzt geht es darum, dass Betroffene einen eventuellen Nachzahlungsanspruch nicht verlieren«, so Andreas Eichhorst, Vorstand der Verbraucherzentrale Sachsen. »Wir sind froh, dass die Bafin, die gerade selbst schwierige Zeiten erlebt, die Sparenden nicht im Stich lässt.« Zudem wissen viele Bankkunden noch gar nicht, dass ihnen möglicherweise Tausende von Euro zustehen. Auch deshalb ist der Erlass einer Allgemeinverfügung ein notwendiger Schritt. Nur so wird gewährleistet, dass alle Prämiensparenden über die aktuelle Situation informiert werden und ihr Recht auf eine etwaige Zinsnachzahlung nutzen können.
Kompromiss oder BGH?
Wenig erfreut über die Allgemeinverfügung zeigte sich der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV). Die Prämiensparverträge seien für die Kunden durchaus attraktiv. Die gezahlten Zinsen und Prämien übersteigen bei Weitem die damals und heute erzielbaren Verzinsungen der meisten anderen Anlageformen. Verträge mit variablen Zinsen, wie im Fall der Prämiensparverträge, müssen für den Fall der Veränderung der Marktzinsen einen Anpassungsmechanismus enthalten, der »die Risiken fair und gleichmäßig zwischen den Parteien verteilt«.
Nach Auffassung des DSGV wurde die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) angemessen umgesetzt. Die Bafin sollte sich »nicht an die Stelle von Gerichten setzen und zivilrechtliche Streitfragen selbst entscheiden wollen«. Die Aktion der Bafin birgt jedoch auch für Sparer eine gewisse Gefahr: Kompromissangebote seitens der Banken zum Nachteil der Sparer. Nach den Erfahrungen der letzten Jahre befürchten Verbraucherschützer, dass Sparkassen mit den Betroffenen eine Vereinbarung treffen könnten, die zwar vorteilhaft für das Kreditinstitut ist, aber Sparer weiter benachteiligt. Bei noch laufenden Verträgen könnte versucht werden, eine neue - ebenfalls strittige - Zinsanpassungsklausel individuell zu vereinbaren.
Derweil laufen die Rechtsstreitigkeiten weiter. So hat das Oberlandesgericht Dresden die erste mündliche Verhandlung in der Musterfeststellungsklage gegen eine Sparkasse auf den 31. März 2021 gelegt. Weitere Gerichte in ganz Deutschland sind mit Prämiensparverträgen befasst.
Auch höchstrichterlich wird vom Bundesgerichtshof möglicherweise noch in diesem Jahr über Zinsanpassungsklauseln entschieden. Sparer sind vor diesem Hintergrund gut beraten, sich Beratung zu suchen. Alle Verbraucherzentralen bieten solche Hilfen auch per Telefon und im Regelfall gegen eine geringe Gebühr an.
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