Linke in NRW: Viel Streit um Bundestagsmandate

Bei der NRW-Linken gibt es Streit, ob Sahra Wagenknecht für den Bundestag kandidieren soll

»Der Shitstorm ist die Schwester des Pogroms«, das schreibt Tamara Helck, Mitglied des Landesvorstands der nordrhein-westfälischen Linken in Richtung der Kritiker von Sahra Wagenknecht. Es seien dieselben Leute, die vor 150 Jahren versucht hätten, »jemanden vorm Stadttor zu lynchen«. In einem internen Mailverteiler wird ein anderer Wagenknecht-Unterstützer noch deutlicher. Er fragt die Kritiker, ob sie erst zufrieden seien, wenn Wagenknecht im Landwehrkanal liege. Eine Anspielung an den Mord von Rosa Luxemburg.

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Nur zwei Beispiele dafür, wie vergiftet die Stimmung in der NRW-Linken ist. Seit einer Sitzung des Landesvorstands am 23. Januar ist der Konflikt offen ausgebrochen. Bei der Sitzung gab es ein Votum dafür, dass sich Sahra Wagenknecht als Spitzenkandidatin des Landesverbandes bewerben solle. 15 Mitglieder sprachen sich für Wagenknecht aus, sechs gegen sie. Zwei enthielten sich. Die Aussprache mit Wagenknecht wurde von vielen als negativ empfunden. Die Spitzenpolitikerin habe eine Rede gehalten, keine Fragen beantwortet, heißt es von Linken-Mitgliedern, die dabei waren. Das ist bei vielen, die Wagenknecht sowieso schon kritisch gegenüberstehen, schlecht angekommen. Mittlerweile kritisieren die Kreisvorstände aus Köln, Oberhausen und Herford die Kandidatur Wagenknechts öffentlich und empfehlen ihren Kreisverbänden, Beschlüsse zu fassen, dass Wagenknecht nicht gewählt wird. Im Beschluss aus Herford heißt es, Wagenknecht habe sich »als herausgehobene Mandatsträgerin der Partei DIE LINKE öffentlich gegen Positionen der Partei gestellt«, in NRW habe sie sich auf »Reden bei Wahlkampfgroßveranstaltungen in größeren Städten beschränkt« und »weder den Kontakt zur Basis der Partei gepflegt, noch Kontakt zu Bewegungen und Initiativen gehabt, die unserer Partei nahe stehen und mit unserer Politik sympathisieren«. Dies erwarte man aber von allen Bundestagsabgeordneten.

Allerdings sehen es auch dezidierte Kritiker als fraglich an, dass die Initiativen gegen Wagenknecht erfolgreich sein werden. Zehn Kreisverbände mögen es werden, die solche Beschlüsse treffen, nicht mehr, heißt es. Auch die Erfolgsaussichten von Wagenknechts Gegenkandidatin auf Platz 1 für die Landesliste zum Bundestag werden pessimistisch eingeschätzt. Die Kölnerin Angela Bankert tritt an. Sie war lange Jahre in der Gewerkschaft GEW aktiv, engagiert sich für die Klimabewegung und ist in lokale Initiativen eingebunden. Aber Bankert fehlt es an Bekanntheit. Auch abseits vom ersten Platz stehen für einzelne Listenplätze mehrere Kandidat*innen zur Auswahl. Mit Niema Movassat, Ulla Jelpke und Sylvia Gabelmann ziehen sich drei Bundestagsabgeordnete aus NRW zurück. Um ihre Plätze wird hart gerungen. Ein prominentes Duell ist dabei der Kampf zwischen dem NRW-Landessprecher Christian Leye und dem ehemaligen Landesgeschäftsführer Sascha Wagner. Kritiker werfen Leye vor, er wolle in den Bundestag, weil er die Chancen bei den Landtagswahlen als schlecht einschätzt. Auch Ulrike Eifler und Iris Bernert-Leushacke konkurrieren um einen Listenplatz. Eifler war vorher DGB-Sekretärin in Hessen. Aus der Partei wird ihr Pöstchenjägerei vorgeworfen. Auch, dass sie sich im September in den NRW-Landesvorstand hat wählen lassen und jetzt für den Bundestag kandidiert, kommt nicht gut an. Gegenüber »nd« sagt sie: »Ob sich ein Bundestagsmandat und die Funktion als stellvertretende Landessprecherin ausschließen müssen, sollte der Landesverband einfach mal politisch diskutieren.« Außerdem betont sie ihre gewerkschaftliche Verankerung. Ihre Gegenkandidatin Bernert-Leushacke ist seit Jahren in der antifaschistischen Bewegung in Dortmund aktiv und hat als Mitarbeiterin von Ulla Jelpke innenpolitische Expertise aufgebaut. Zuletzt klagte sie erfolgreich gegen das totale Demoverbot an Silvester.

Auch um andere Kandidaturen wird gerungen. Zeki Gökhan aus Frechen möchte sich für einen Listenplatz bewerben. Bei einem Online-Treffen der »Linken Rheinschiene« wurde die Bewerbung abgelehnt. Sein deutsch sei zu schlecht, er könne ja Zeitungen verteilen, soll es geheißen haben. Offiziell sagt sein Kreisverband, er wolle sich jünger aufstellen. Mittlerweile solidarisieren sich zahlreiche Mitglieder der Linken mit Gökhan und heben sein jahrelanges Engagement hervor. Für die Landessprecherin der Linken, Nina Eumann, spiegeln die Debatten in NRW »den Konflikt innerhalb der Gesamtpartei wider«. Aufgrund der Aufstellungsversammlung für den Bundestag spitze er sich gerade zu. Wichtig sei es, ins Gespräch zu kommen.

»Wir wollen mit den Mitgliedern darüber reden, wo wir uns gerade aktuell befinden, was unsere Schwerpunkte sein können und wie wir sie umsetzen können.« Dafür will die NRW-Linke Ende Februar oder Anfang März alle Kreisvorstände zu einer Besprechung einladen. Dabei soll es um die politische Planung des Jahres gehen und der Raum für Debatten über Bundestagskandidaturen geöffnet werden. Außerdem beschloss der Landesvorstand am Montagabend, die Aufstellungsversammlung pandemiebedingt um einen Monat zu verschieben. Statt Mitte März wird nun im April bestimmt, wer in den Bundestag einziehen soll. Im Wagenknecht-Lager soll das nicht für Freude gesorgt haben.

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