Bosse und Mäzene zuerst geimpft

Eine Privatklinik in Frankreich hält sich nicht an die Alters- und Dringlichkeitsregeln des Gesundheitsministeriums

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.

Das Amerikanische Krankenhaus im Pariser Nobelvorort Neuilly, eine international renommierte Privatklinik, hat bereits im Januar VIPs bevorzugt gegen Corona geimpft. Das haben Journalisten des öffentlich-rechtlichen Senders »Franceinfo« ermittelt. Bei den »Very Important Persons« handelte es sich um Mitglieder des Verwaltungsrates und um Mäzene der Klinik. Diese finanziert sich durch Abrechnung erbrachter Leistungen bei der Krankenkasse, Zahlungen der Privatpatienten als auch aus Spenden.

Die Klinik hat sich damit über die Alters- und Dringlichkeitsregeln des Gesundheitsministeriums hinweggesetzt. Danach werden in der ersten Phase nur Personen geimpft, die älter als 75 Jahre sind, ferner Patienten mit Krebs oder anderen schweren Erkrankungen sowie Mitarbeiter des Gesundheitswesens, die ständig Kontakt mit Coronapatienten haben. Wegen der schleppenden Lieferung der Impfstoffe, die schon weit hinter den mit den Pharmakonzernen vereinbarten Terminen zurückliegt, wird sich schon das Impfen dieser Personengruppe nach Einschätzung von Gesundheitsminister Olivier Véran bis April oder Mai hinziehen. Danach sind die Franzosen an der Reihe, die zwischen 65 und 75 sind, später schrittweise die noch jüngeren Personengruppen.

Mit den Enthüllungen konfrontiert, hat die Direktion des Hôpital Américain bestätigt, dass auch Mitglieder des Verwaltungsrates in den Kreis der zu impfenden »Mitarbeiter des Gesundheitswesens« einbezogen wurden, verweigerte aber unter Hinweis auf die ärztliche Schweigepflicht die Beantwortung weitergehender Fragen. Der Ehrengouverneur der Klinik, Bruno Durieux, der von 1990 bis 1992 Vizegesundheitsminister war, bestätigte, dass er und die anderen Mitglieder des Verwaltungsrates Mitte Januar eingeladen wurden, sich impfen zu lassen. Anfang Februar hätten sie bereits die zweite Dosis erhalten, erklärte Durieux. Er und viele der 40 Mitglieder des Gremiums sind älter als 75, aber nicht alle. So ist der Milliardär Arnaud Lagarde erst 59 und Helen Lee Bouygues, Ehefrau des Baukonzernchefs Bruno Bouygues, ist sogar erst 45 Jahre alt.

Die Journalisten haben in Erfahrung gebracht, dass auch in anderen Privatkliniken sowie in einigen staatlichen Krankenhäusern durch besonders sparsames Aufziehen auf die Spritzen Vakzin »abgezweigt« werden konnte und damit Familienangehörige oder Freunde geimpft wurden. Unter Krankenhausmitarbeitern war das bekannt. Ironisch spreche man in solchen Fällen von einer »VIP-Dosis«, sagte ein Gewerkschafter.

In einem Interview mit »Franceinfo« versicherte Gesundheitsminister Véran, er werden den Vorwürfen nachgehen und »die Verantwortlichen zur Rede stellen«. Er dulde keinerlei Vorzugsbehandlung. Es gelte weiter die Vorgabe, zuerst schrittweise besonders gefährdete und exponierte Menschen zu impfen, »egal, wo im Lande sie leben und welcher sozialen Herkunft sie sind«.

Beobachter geben zu bedenken, dass eine Vorzugsimpfung zwar moralisch verwerflich, aber kein Straftatbestand ist. Zu den Regelverstößen komme es, weil die Direktion des staatlichen Gesundheitswesens und ihre regionalen Agenturen vollauf mit der Organisation der Impfkampagne beschäftigt seien und weder Personal noch Zeit haben, um die Einhaltung der Regeln zu überprüfen.

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