Wirklich nervig

Birthe Berghöfer über das Patriarchat

Es ist immer wieder überraschend, oft auch erschreckend, für wie viele Dinge Frauen verantwortlich gemacht werden: wenn sie betrogen werden (keine gute Partnerin), wenn sie vergewaltigt werden (zu kurzer Rock) und nun also auch, wenn sich die Sitzungen des Organisationskomitees für die Olympischen Spiele in Tokio in die Länge ziehen (zu viel Gerede). Das jedenfalls kritisierte der Chef des Komitees, Yoshiro Mori, und fügte laut Medienberichten hinzu, wie »nervig« er das findet.

Ein Wort, dessen Verwendung zumindest im Deutschen in unserer männerzentrierten und -dominierten Gesellschaft, aka Patriarchat, Tradition hat. Vorzugsweise erfolg- und einflussreiche Frauen und selbstverständlich auch kritische Feministinnen werden regelmäßig wahlweise als nervig, zickig oder schlicht zu emotional abgewertet. Und nicht selten zum Schweigen gebracht. Männer hingegen gelten als streitbar, taff, durchsetzungsstark. Dabei spielt es gar keine große Rolle, ob sich die Frau dabei gerade bewusst stereotypen Rollenbildern widersetzt oder nicht: Belegt sie zur Erfüllung vorgegebener Schönheitsideale stundenlang das Bad, rollt Mann mit den Augen. Streitet sie laut mit Formulierungen wie »in die Fresse« oder »Bätschi« um Politik, wird auch nur mit dem Kopf geschüttelt. Wie man’s auch macht – Frau macht’s falsch.

Der nette alte weiße Mann. In Japan kann man ältere Männer fürs Zuhören mieten. Die Firma »Ossan rentanu« will so den gesellschaftlichen Ruf eines ramponierten Standes polieren.

Nur in einem lässt sich Mori recht geben: Dinge, die sich in die Länge ziehen, können die Nerven belasten. Das beste Beispiel ist das Patriarchat. Es existiert seit Tausenden Jahren, seit Hunderten ist es bewiesenermaßen überholt und es nimmt dennoch kein Ende. Äußerst nervig.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.