Wirklich nervig

Birthe Berghöfer über das Patriarchat

Es ist immer wieder überraschend, oft auch erschreckend, für wie viele Dinge Frauen verantwortlich gemacht werden: wenn sie betrogen werden (keine gute Partnerin), wenn sie vergewaltigt werden (zu kurzer Rock) und nun also auch, wenn sich die Sitzungen des Organisationskomitees für die Olympischen Spiele in Tokio in die Länge ziehen (zu viel Gerede). Das jedenfalls kritisierte der Chef des Komitees, Yoshiro Mori, und fügte laut Medienberichten hinzu, wie »nervig« er das findet.

Ein Wort, dessen Verwendung zumindest im Deutschen in unserer männerzentrierten und -dominierten Gesellschaft, aka Patriarchat, Tradition hat. Vorzugsweise erfolg- und einflussreiche Frauen und selbstverständlich auch kritische Feministinnen werden regelmäßig wahlweise als nervig, zickig oder schlicht zu emotional abgewertet. Und nicht selten zum Schweigen gebracht. Männer hingegen gelten als streitbar, taff, durchsetzungsstark. Dabei spielt es gar keine große Rolle, ob sich die Frau dabei gerade bewusst stereotypen Rollenbildern widersetzt oder nicht: Belegt sie zur Erfüllung vorgegebener Schönheitsideale stundenlang das Bad, rollt Mann mit den Augen. Streitet sie laut mit Formulierungen wie »in die Fresse« oder »Bätschi« um Politik, wird auch nur mit dem Kopf geschüttelt. Wie man’s auch macht – Frau macht’s falsch.

Der nette alte weiße Mann. In Japan kann man ältere Männer fürs Zuhören mieten. Die Firma »Ossan rentanu« will so den gesellschaftlichen Ruf eines ramponierten Standes polieren.

Nur in einem lässt sich Mori recht geben: Dinge, die sich in die Länge ziehen, können die Nerven belasten. Das beste Beispiel ist das Patriarchat. Es existiert seit Tausenden Jahren, seit Hunderten ist es bewiesenermaßen überholt und es nimmt dennoch kein Ende. Äußerst nervig.

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