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Verteilte Ohrfeige wird für Bergbaukonzern zum Bumerang
Ein australischer Bergbaukonzern verklagt seine Kritiker auf Schadenersatz - und muss nun selbst blechen
Seitdem im Jahr 2002 eine Prospektionslizenz für einen Titansandtagebau auf ihrem Land vergeben wurde, setzen sich die Menschen in der Gemeinde Xolobeni in Südafrikas Provinz Ostkap gegen das Projekt zur Wehr. Zwei Bergbaukritiker sind seitdem ermordet worden, doch der Widerstand ist noch immer erfolgreich, die Bagger konnten bis heute nicht anrücken. Um seine Gegner mundtot zu machen, überzog der australische Bergbaukonzern Mineral Commodities (MRC) sechs prominente Kritiker - drei Umweltanwälte und drei Gemeindeaktivisten - mit horrenden Schadenersatzklagen. Nun hat sich das Unternehmen auch damit eine blutige Nase geholt, das oberste Gericht in Kapstadt wies den Hauptklagepunkt zurück.
Insgesamt 14,25 Millionen Rand (circa 808 000 Euro) forderten die südafrikanischen Tochtergesellschaften MRCs von den Beklagten, wegen angeblich verleumderischer Aussagen zum Projekt in Xolobeni sowie zu einem bereits in Betrieb befindlichen Mineralsandtagebau an der Westküste Südafrikas. Zugleich bot der Konzern jedoch an, die Forderungen zurückzuziehen, wenn die Aktivisten eine schriftliche Entschuldigung einreichen. Inhaltlich geht es um Vorwürfe von Umweltvergehen und der Einschüchterung der lokalen Gemeinde. Doch anstatt zu Kreuze zu kriechen, reagierten die Bergbaugegner mit zwei Verteidigungsplädoyers. Sie argumentierten, dass die Klage eine sogenannte SLAPP (Strategic Litigation Against Public Participation) darstelle, also einzig das Ziel verfolge, die Öffentlichkeit zum Schweigen zu bringen. Zudem verlangten die Beklagten, dass das Unternehmen tatsächliche finanzielle Schäden nachweisen müsse, um Schadenersatz geltend machen zu können. Im zweiten Punkt stimmte das Gericht den Aktivisten zwar nicht zu, folgte ihnen aber im Hauptpunkt, wies die Klage entsprechend zurück und legte MRC zudem die Gerichtskosten auf.
»Konzernen sollte nicht gestattet werden, unser Justizsystem als Waffe gegen einfache Bürger und Aktivisten zu verwenden, um diese einzuschüchtern und zum Schweigen zu bringen«, erklärte Richterin Patricia Goliath in der Zusammenfassung ihres Urteils. Es sei selbstredend, dass der Rechtsweg missbraucht werde, wenn er für andere Zwecke als die Vorgesehenen verwendet würde. Ihr scheine, so Goliath, »dass die Verleumdungsklage nicht aufrichtig und echt« sei, »sondern einzig und allein ein Vorwand, um Gegner und Kritiker zum Schweigen zu bringen«. Eine Klage, die nicht darauf abziele, legitime Rechte durchzusetzen, stelle einen »unzulässigen Gebrauch des Gerichtswesens« dar und sei »schikanös«.
Die Richterin sah es als belegt an, dass der Bergbaukonzern eine Strategie verfolge, nach der die Höhe der Schadensersatzforderungen umso höher ausfielen, je kritischer sich ein Beklagter äußere. Dabei sei dem Unternehmen bewusst, dass es keine realistische Aussicht darauf gebe, dass die Beklagten die Forderungen begleichen könnten. Das Angebot, die Klage gegen eine Entschuldigung fallen zu lassen, bezeichnete sie als Charakteristikum von SLAPP-Fällen. Es sei »unbestreitbar«, dass der Konzern die Aktivisten verklagt habe, »weil sie ihre Meinung gesagt haben«, folgerte Goliath. Zwar gebe es in Südafrika keine spezifischen Gesetze gegen SLAPP-Klagen, was Konzerne ausnutzen könnten und wodurch die Zivilgesellschaft angreifbar sei. Dennoch dürfe die Rechtsprechung sich davon nicht beeinträchtigen lassen. »Das Recht auf freie Meinungsäußerung, robuste öffentliche Debatten und die Möglichkeit, sich in öffentlichen Debatten frei von Ängsten einbringen zu können, sind essenziell für jede demokratische Gesellschaft«, so Goliath. Da die Richterin den Beklagten in deren zweiten Plädoyer nicht recht gab, besteht nun für beide Parteien die Möglichkeit, den Fall vor das Oberste Berufungsgericht zu bringen. Die Aktivisten erwägen dies, um so Gesetze gegen SLAPP-Fälle auf den Weg zu bringen.
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