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Vierjährige spaltet Dänemark
Im Nachbarland wurde eine islamistische Zelle ausgenommen. Das erschwert die Lage einer Familie in einem Gefangenenlager.
Die Lage sei ernst, betonte der dänische Justizminister Nick Haekkerup Ende vergangene Woche. Bei einer großen Anti-Terror-Operation waren zuvor 13 Personen festgenommen worden. Bei Durchsuchungen fand die Polizei Waffen sowie Chemikalien, aus denen man Bomben bauen kann. Sie wurden in Polen gekauft. Von dort waren auch die ersten Warnungen gekommen, bestätigen die Fahnder. Der Fall ist mehrfach grenzüberschreitend, denn die deutschen Sicherheitsbehörden haben zeitgleich in Dessau einen weiteren Islamisten gefasst, der in die mutmaßlichen Terrorvorbereitungen eingebunden war.
Diese Nachrichten sorgen gerade für viel Aufregung in Dänemark. Weit weniger Aufsehen erzeugte der Fall eines vierjährigen Mädchens. Auch das hat bislang nur ein Leben in Angst erlebt. Krieg und Flucht bestimmten das Leben der Kleinen und ihres Bruders. Schuld daran ist letztlich deren Mutter. Die dänische Konvertitin reiste 2014 in das syrische Kriegsgebiet, um sich dem selbst ernannten Kalifat des Islamischen Staates zu unterwerfen. Der IS wurde zerschlagen, Mutter und Kinder gerieten in das von kurdischen Kämpfern errichtete Gefangenenlager al-Roj im Nordosten Syriens. Dänische Mediziner behaupten nun in einer vom Kopenhagener Außenministerium in Auftrag gegebenen Studie, dass zumindest das Mädchen an einer posttraumatischen Belastungsstörung leide. Sie empfehlen, die Kleine so schnell wie möglich aus dem Lager zu holen, um es zu behandeln. Damit das Elend des Mädchens nicht noch verstärkt wird mit der ganzen Familie.
Das hielt Rasmus Stoklund, Einwanderungssprecher der dänischen Sozialdemokraten, bereits vor dem jüngsten Anti-Terroreinsatz in seinem Land für eine »schlechte Idee«. Er sieht wohl, dass das Schicksal der drei Landsleute in jeder Hinsicht »tragisch« ist. Er glaubt auch, dass die Kinder keine Gefahr darstellten. Doch: Wenn man Terroristen oder Menschen, die den Krieg des »Islamischen Staates« unterstützt haben, ins Land bringe, sei ein politisches Prinzip verletzt.
Prinzip statt Menschlichkeit? Das Außenministerium in Kopenhagen äußert sich dazu nicht. Doch die Frage entzweit Politiker. Auch für den rechtspolitischen Sprecher der Dänischen Volkspartei, Peter Skaarup, steht das Prinzip »Nicht-Rückkehr« obenan. Wenn man die Kinder aufnehme, so argumentiert er, müsse man auch die Eltern einreisen lassen. Das aber seien Islamisten und automatisch eine Bedrohung für die Sicherheit aller Dänen.
Rosa Lund von der linken Einheitsliste sieht das ganz anders. Sie fordert, dass das Außenministerium dieses Mädchen und den Rest ihrer Familie nach Hause holt. Das gelte nach Lunds Ansicht auch »für alle anderen dänischen Kinder, die sich in IS-Lagern in Syrien aufhalten«. Lund findet es seltsam, dass die Regierung in Kopenhagen zwar dänische Bürger, die wegen Drogendelikten in Kolumbien oder Pädophile in Thailand inhaftiert sind, heimhole, jetzt aber für die in Syrien gefangenen Staatsbürger nichts tun wolle.
Die deutsche Regierung hat erst Ende vergangenen Jahres - unter Vermittlung Finnlands - drei deutsche IS-Anhängerinnen und zwölf Kinder aus dem Gefangenenlager al-Roj herausgeholt. Das ist zwar nicht die Regel, wohl aber der Beweis, dass das möglich ist.
Seit 2012 seien mindestens 159 Menschen aus Dänemark in den Krieg nach Syrien und Irak gereist. Die Hälfte sei nach Dänemark zurückgekehrt oder lebe in einem anderen europäischen Land. Ein Drittel sei vermutlich gestorben. Einen exakten Überblick über ausländische Gefangene, die wegen IS-Mitgliedschaft gefangen gehalten werden, gibt es nicht. Schätzungen gehen von Hunderten Kämpfern aus, die aus europäischen Staaten stammten und vor allem von kurdischen Behörden in Syrien festgehalten werden. Auch deren Lage ist ernst.
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