Wer wird wann durch Impfung geschützt?

fragen & antworten zur neuen impfverordnung

  • Basil Wegener
  • Lesedauer: 4 Min.

Alle Erwachsenen in Deutschland sollen in den nächsten Monaten bei der Corona-Impfung an die Reihe kommen - bloß wann?

Bis wann sollen die Über-80-Jährigen geimpft sein?

Einzelfälle möglich

Nach der überarbeitete Impfverordnung sind auch Einzelfallentscheidungen möglich. Dabei geht es um besondere Einzelfälle, deren Umstände nicht von der bisherigen Impfverordnung erfasst sind. So können Menschen mit seltenen Erkrankungen früher gegen Covid-19 geimpft werden als bislang vorgesehen. Die Bundesländer sollen dafür entsprechende Stellen schaffen, an die sich Betroffene wenden können. Generell soll aber die festgelegte Priorisierung geltet und nicht versucht werden, diese Reihenfolge durch Einzelfallentscheidungen zu umgehen.

Im Beschluss ist die Bitte der Regierungschefs der Länder formuliert, eine frühere Impfung von Lehrkräften sowie Erzieherinnen und Erziehern zu prüfen. Sie sollen aus der Priorisierungsgruppe 3 in 2 vorgezogen werden und wären dann zeitgleich mit Menschen über 70 Jahren oder Personen mit schweren Vorerkrankungen, Demenz oder schweren Behinderungen an der Reihe. Nach Angaben des Bundesgesundheitsministers sei das voraussichtlich erst im Frühjahr möglich, wenn genug Impfstoff zur Verfügung stehe. Das würde sich aber auf Lehrkräfte in Grundschulen sowie auf Erzieher und Erzieherinnen beschränken.dpa/nd

Um den Wechsel zum zweiten Quartal Ende März herum. So hat es Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) versprochen. Das gilt auch für andere in der ersten Gruppe mit höchster Priorität: Pflegeheimbewohner, Pflegekräfte in Heimen, Personal in Intensivstationen, Notaufnahmen, Rettungsdiensten. Den 800 000 Heimbewohnern soll bis Mitte Februar ein Impfangebot gemacht werden. 630 000 wurden bisher geimpft. Als nächste innerhalb dieser Gruppe rücken jetzt ambulante Pflegedienste in den Fokus.

Was ändert sich durch den Einsatz des Astrazeneca-Impfstoffs?

Nach den beiden Impfstoffen von Biontech/Pfizer und Moderna bekommen dieses dritte Präparat vorerst nur Menschen zwischen 18 und 64 Jahren. Es fehlen Daten zur Wirkung bei Älteren. Deshalb wird den Beschäftigten in Pflegeheimen oder Intensivstationen in dieser Altersgruppe nun vorrangig der Astrazeneca-Stoff geimpft. Dass das Präparat vorerst Unter-65-Jährigen vorenthalten ist, ist eigentlich eine Schwäche. Doch bleibt so mehr von den anderen für die Hochbetagten. Denn dadurch können Ältere schneller als geplant geimpft werden.

Wie wirkt sich der Astrazeneca-Impfstart konkret aus?

Bis 19. Februar sollen 1,75 Millionen Astrazeneca-Dosen an die Bundesländer geliefert und direkt verimpft werden. Es soll also kein Impfstoff für die nach neun bis zwölf Wochen fällige zweite Impfung aufbewahrt werden. Am 2. März sollen weitere 1,47 Millionen Dosen kommen. Während die Impfstoffe von Moderna und Biontech eine Wirksamkeit von 94 und 95 Prozent haben, sind es bei Astrazeneca nach der ersten Impfung 76 Prozent und bis zu 82 Prozent nach der zweiten Impfung. Einige mit Astrazeneca geimpfte Pflegekräfte sprechen von Zwei-Klassen-Impfung, weil sie nicht Biontech/Pfizer oder Moderna bekommen.

Wann sollen die Menschen ab 70 Jahren geimpft werden?

Von April an, und zwar in Gruppe zwei mit hoher Priorität. Aktuell leben etwa 7,3 Millionen Menschen zwischen 70 und 80 in Deutschland sowie 5,7 Millionen in der Altersgruppe 80 plus. Bislang geliefert wurden 4,2 Millionen Dosen von Biontech/Pfizer und Moderna. Bis Anfang März kommen rund 3,2 Millionen Astrazeneca-Dosen dazu. Von Biontech soll es bis Ende Februar mehr als 2,5 Millionen weitere Dosen geben und von Moderna bis Mitte Februar weitere 182 400 Dosen.

Wann sollen Menschen mit Vorerkrankungen geimpft werden?

Manche sollen in Gruppe zwei vorgezogen werden. In dieser Gruppe sollen nun auch Menschen geschützt werden mit Krebs ohne gestopptem Tumorwachstum, mit schwerer chronischer Lungenerkrankung, mit chronischer Leber- oder Nierenerkrankung, mit Diabetes mit hohen Blutzuckerwerten, mit Fettleibigkeit mit Body-Mass-Index über 40, mit bipolarer Störung, Schizophrenie und schwerer Depression. Bisher waren schon Menschen mit Demenz, geistiger Behinderung, Trisomie 21 sowie nach Organtransplantationen hier vorgesehen. Neu ist, dass auch andere Risikopatienten mit Arzt-Bescheinigung hier zum Zug kommen sollen.

Wer soll noch in Gruppe zwei geimpft werden?

Bis zu zwei enge Kontaktpersonen von Pflegebedürftigen zu Hause oder Schwangeren. Schwangere selbst sollen wegen mangelnden Studiendaten nur in Ausnahmen geimpft werden. Strittig ist: Auch Ärzte sollen erst in Gruppe zwei drankommen. Gruppe zwei umfasst auch Polizei- und Ordnungskräfte insbesondere für Demonstrationen, Beschäftigte von Gesundheitsdiensten und Kliniken, Bewohner von Obdachlosen- und Asylbewerberunterkünften und Betreuer geistig Behinderter. Auch für Gruppe zwei gilt der Astrazeneca-Vorrang für Unter-65-Jährige.

Wer kommt nach Gruppe zwei dran?

Menschen über 60, Menschen mit weiteren Krankheiten wie etwa Asthma oder Herzinsuffizienz sowie zum Beispiel Lehrer, Erzieher, Polizisten, Beschäftigte in Supermärkten. Erst danach sollen - laut Bundeskanzlerin bis Ende Sommer - alle weiteren folgen.

Sollen Kinder geimpft werden?

Der Biontech-Impfstoff ist von 16 Jahren an zugelassen. Der Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts, Klaus Cichutek, erwartet im Lauf des ersten Halbjahres Ergebnisse zu Studien von Moderna und anderen zu möglichen Impfungen bei Kindern und Jugendlichen.

Welche offenen Fragen treiben Politik und Wissenschaft um?

Klaus Cichutek zufolge vor allem eine mögliche Ansteckungsgefahr durch Menschen, die selber schon geimpft sind. Dabei geht es um die Fragen: Können wir Daten finden, dass Geimpfte das Virus nicht weiter übertragen? Wie ist die Wirksamkeit bei hochansteckenden Virus-Varianten? Dem Institutsleiter zufolge gibt es Hinweise, dass man mit der UK-Variante (also der britischen) ganz gut fertig werden kann, mit der Südafrika- und Brasilien-Variante vielleicht schlechter.

Welche Kritik gibt es an der Impfverordnung?

Die Lehrkräfte und die Praxisärzte wollen nicht so lange warten. So sagt der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen: »Diejenigen, die andere jeden Tag behandeln, medizinisch versorgen und schützen, müssen auch selbst geschützt sein.«

Wird die Impfverordnung immer strikt eingehalten?

Nein. In Sachsen-Anhalt beispielsweise wurden etwa mehr als 300 Polizisten im Kreis Stendal schon geimpft, auch der Oberbürgermeister und zehn Stadträte von Halle - angeblich mit Dosen, die übrig geblieben waren. Für Schlagzeilen sorgte auch die Impfung von Mitgliedern des Geriatrie-Direktoriums des Klinikums Region Hannover Langenhagen sowie der Fall einer 79-Jährigen bei München mit schweren Vorerkrankungen, die keinen vorgezogenen Impftermin bekommt. Dass Impfstoff aus angebrochenen Fläschchen noch jenseits der Prioritäten gespritzt werden kann, sieht die neue Verordnung ausdrücklich vor. dpa/nd
Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.