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Kraftloser Schmalspur-Entwurf

Das Betriebsrätestärkungsgesetz wird der Unternehmerkriminalität nichts entgegensetzen, meint Elmar Wigand

  • Elmar Wigand
  • Lesedauer: 3 Min.

Kurz vor Ende der Legislaturperiode wollte die SPD noch etwas für Betriebsräte tun. So war es im Koalitionsvertrag vereinbart und tatsächlich legte Arbeitsminister Hubertus Heil im Dezember 2020 pflichtschuldig ein »Betriebsrätestärkungsgesetz« vor. Dagegen spricht nichts, außer, dass es viel zu wenig ist. Um so schockierender, dass die CDU selbst dieses schüchterne Reförmchen blockiert.

Die SPD will den Kündigungsschutz für Betriebsratsgründer von drei auf sechs Personen ausweiten und die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats erweitern - etwa beim Homeoffice. Das zentrale Problem, das Betriebsräte in Deutschland seit rund 20 Jahren haben, lautet aber: Unternehmerkriminalität in Arbeitsbeziehungen, Union Busting durch eine teils bandenmäßig agierende Industrie aus spezialisierten Kanzleien, Detekteien und Beratungsagenturen. Das taucht überhaupt nicht auf und daher ist der Entwurf des SPD-Arbeitsministeriums in seiner unambitionierten Art fast schon peinlich.

Che Guevara sagte einst: »Seien wir realistisch, versuchen wir das Unmögliche!« SPD-Bundeskanzler Helmut Schmidt vertrat quasi das Gegenkonzept: »Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen.« Die Geschichte fällte ein hartes Urteil: Während Che beim dritten Versuch, das Unmögliche zu schaffen (1. Kuba, 2. Kongo, 3. Bolivien), 1967 starb, war dem Busenfreund Henry Kissengers ein sehr langes Leben vergönnt.

Heute krankt nicht nur die SPD, sondern das gesamte sozialdemokratische Milieu. Im Umkehrschluss zu Che Guevara kann man sagen: Wer überhaupt keine weitreichenden Ziele mehr hat, erreicht am Ende auch nichts mehr. Ohne Visionen erschlaffen Körper und Geist. Du musst ewig durchs Tal wandern, auch wenn es dort dunkel und karg wird. Irgendwann schaffst du es nicht mehr, dich über die nächste Bergkette zu schleppen.

Die Vorschläge der SPD wuchsen so knapp über der Grasnarbe, dass beim Versuch sie »ordentlich zurecht zu stutzen« leider nichts mehr übrig blieb. Obwohl die SPD und ihr Arbeitsminister einen saft- und kraftlosen Schmalspurentwurf vorlegten, stimmten die üblichen Verdächtigen trotzdem ihr Geheul an. Der Verband der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie (VBM) ließ verlautbaren: »Weitere Verschärfungen des Betriebsverfassungsgesetzes führen zu Überregulierung, einem Ungleichgewicht und schwächen dessen Akzeptanz.« VBM-Pressesprecher Tobias Rademacher trägt hier wesentliche Erzählmuster des Union Busting vor: Geltende Gesetze müssen offenbar um ihre »Akzeptanz« bangen, wenn sie Unternehmen nicht passen. Unternehmen sind offenbar existenziell bedroht durch übermächtige Gewerkschaften, die Sozis (»Ungleichgewicht«) und ein staatlich-behördliches Bürokratiemonster (»Überregulierung«). Daraus folgt in der Logik des Union Bustings ein Recht zur Notwehr: Unternehmer dürfen, um ihre Firma vor dem Zugriff von Dilettanten und Bürokraten zu retten, auch zu harten Maßnahmen am Rande der Legalität greifen. Sie haben im Ernstfall fast schon die Pflicht, Betriebsräte zu sabotieren, demontieren, demoralisieren.

In der Realität sind Betriebsräte vom Aussterben bedroht. Sie existieren - laut ziemlich optimistischen Schätzungen - nur noch in neun Prozent aller Betriebe mit mehr als fünf Beschäftigten. Für mehr Demokratie in Wirtschaft und Betrieb bräuchten wir zunächst einmal den Willen des Staates, geltendes Recht in Arbeitsbeziehungen überhaupt flächendeckend durchzusetzen. Erstens: beim Aufbau von Schwerpunktstaatsanwaltschaften für Wirtschaftskriminalität und der Gründung von Sonderabteilungen für Arbeitsbeziehungen. Zweitens: bei der Gründung von verpflichtenden Betriebsratsregistern. Denn das Problem beginnt bei der Datenlage: Niemand weiß wie viele Betriebsräte und Betriebsratsgründungen es in Deutschland gibt und was aus ihnen geworden ist. Die Erfassung durch ein Register stellt Transparenz, Erforschbarkeit und damit auch Schutz sicher. Und drittens: eine Aufwertung der Straftat Betriebsratsbehinderung zum Offizialdelikt. Derzeit steht auf Betriebsratsbehinderung dasselbe Strafmaß wie auf Beleidigung. Es ist ein Kavaliersdelikt.

Um dahin zu kommen müssen wir die Institution der Betriebsräte als eine der wichtigsten demokratischen Errungenschaft der Weimarer Republik erkennen und verteidigen. Der Anspruch muss sein: Betriebsräte endlich flächendeckend durchzusetzen!

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