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Hoffen auf Gerechtigkeit

Urteil zum Nato-Luftangriff in Kundus erwartet

  • Daniel Lücking
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg entscheidet am Dienstag in einem Verfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland. Abdul Hanan, hinterbliebener Vater zweier Söhne, die durch deutsche Kampfhandlungen in Afghanistan getötet wurden, hatte nach gescheiterten Klageverfahren vor deutschen Gerichten den wohl letzten juristischen Weg nach Straßburg beschritten.

Die Opferzahlen des Angriffs vom 4. September 2009 werden offiziell mit 91 Toten und 11 Verletzten angegeben, unabhängige Zählungen gehen von 142 Toten aus. Eine Entschädigung der zahlreichen Hinterbliebenen ziviler Opfer wurde seitens der Bundesregierung nicht gezahlt. Ohne Anerkenntnis einer Rechtspflicht und als »humanitäre Hilfsleistung« deklariert, wurden Hilfspakete in der Region verteilt und lediglich 5000 Dollar pro Opferfamilie gezahlt.

Die Geschehnisse rund um den Angriff begannen am 3. September 2009. Nachdem es in der Region um den Ort Kundus in Afghanistan zu einer Reihe von Angriffen und Gefechten gekommen war, standen die dort stationierten Bundeswehrtruppen erneut in Gefechten und unter großer Anspannung. Der befehlshabende Oberst Georg Klein und seine Militäranalysten rechneten mit weiteren Angriffen. Als zwei von Aufständischen entführte Tanklaster auf dem Weg in den Char Darah-Distrikt im Flussbett des Kundus-Flußes steckenblieben, griff der Oberst auf Informationen einer afghanischen Quelle, einer Aufklärungsdrohne und von Spähern vor Ort zurück. Unter Beteiligung des Kommando Spezialkräfte, das als Task-Force 47 vor Ort war, entschied sich Klein für einen Luftangriff, der durch US-Truppen in der Nacht zum 4. September 2009 durchgeführt wurde und mutmaßlich nur aufständische Kämpfer treffen sollte. Erst nach dem Abwurf der Bomben auf die Tanklaster wurde deutlich, dass im Flussbett zahlreiche Zivilist*innen starben.

In Deutschland sorgte der Angriff für politische Verwerfungen, nachdem Informationen zu den Hintergründen - offenbar aus Wahlkampfkalkül kurz vor der Bundestagswahl - über Wochen nur schleppend und schlicht falsch preisgegeben wurden. Verantwortlich dafür, trat der damalige Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU), der als Arbeitsminister in die Nachfolgeregierung eingezogen war, im November 2009 ebenso wie ranghohe Militärs aus dem Verteidigungsministerium, ab. Im Untersuchungsausschuss, der sich zwei Jahre mit dem Angriff befasste, sowie durch die Bundesanwaltschaft wurde kein völkerrechtswidriges Verhalten festgestellt. Auch gegen Oberst Georg Klein - heute General - wurde ermittelt und in mehreren Instanzen ein Urteilsspruch erwirkt, der eine schuldhafte Pflichtverletzung Kleins und eine Haftung ausschloss.

»Zum Schmerz über den Verlust der Angehörigen und Kinder kommen bei vielen Familien schwere ökonomische Probleme hinzu«, sagte die Bundestagsabgeordnete Christine Buchholz, die für die Linke im Untersuchungsausschuss saß. »Die Bundesregierung muss ihrer Verantwortung gerecht werden: Die Opfer der Bombennacht von Kundus und ihre Angehörigen müssen endlich anerkannt und offiziell entschädigt werden«, so Buchholz gegenüber »nd«.

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