- Wirtschaft und Umwelt
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Begehrter als Gold
Zocker wollen den Silberpreis in ungeahnte Höhen treiben - der Kurs steigt aber vor allem wegen der Nachfrage aus der Industrie
Schon wieder scheint auf den Finanzmärkten David gegen Goliath zu kämpfen. Auf der einen Seite Börsenamateure, auf der anderen Seite mächtige Hedgefonds sowie andere professionelle Investoren. Diesmal geht es um ein Edelmetall: Silber.
Im Januar waren so die Aktien des eher als Auslaufmodell geltenden Videospiele-Einzelhändlers Gamestop, der auch in Deutschland Filialen betreibt, zum Spielball der Börsen geworden. Kleinanlegern gelang es in einer gemeinsamen Aktion, den Kurs in ungeahnte Höhen zu treiben.
Eine wichtige Rolle spielte dabei Reddit. Nutzer des Online-Diskussionsforums haben nun als neues Spekulationsziel ausgerufen, den Preis von Silber stark in die Höhe zu treiben - die wahnwitzige Zielmarke: 1000 Dollar je Feinunze (31,1 Gramm). Einige Tage zog der Kurs daraufhin im Februar kräftig an, dann folgte eine harte Gegenbewegung. In den letzten Tagen gab es weitere hektische Ausschläge. Stand Mittwoch reichte die Attacke von David allerdings nur zu einem Kurs von gut 27 Dollar je Feinunze. »Offensichtlich erwies sich der Silbermarkt für Privatanleger schwieriger zu ›knacken‹ als manche Aktien«, schreibt der Rohstoffexperte der Commerzbank, Eugen Weinberg.
Dafür gibt es mehrere Gründe. Zum einen ist der Terminmarkt bei Silber recht groß und liquide, was ihn weniger anfällig für spekulative Angriffe macht. Die Attacke selbst war außerdem nicht so stark und koordiniert wie bei der Gamestop-Aktie. Manche Privatanleger zweifelten den Sinn des Angriffs von vornherein an, da die meisten der »bösen« Fonds diesmal auf steigende und nicht auf fallende Preise wie bei Gamestop setzen. Sogenannte Leerverkäufer, die auf fallende Kurse wetten, spielen auf dem Silbermarkt kaum eine Rolle.
Nichtsdestotrotz wird handfest gezockt. So sorgte allein der Fonds Silver Trust an einem einzigen Handelstag für eine Rekordnachfrage von mehr als 1000 Tonnen. Seit Ausbruch der Coronakrise hat der Ableger des Vermögensverwalters Blackrock damit seine »physischen« Silberbestände in Form von Barren verdoppelt.
Wie bei Immobilien und Infrastrukturprojekten, etwa der Windenergie, beflügelt die beispiellose Geldschwemme der Notenbanken und Regierungen Investitionen auch in Edelmetalle. Anders als Gold ist Silber aber wesentlich tiefer in den realen Wirtschaftskreislauf eingebunden. Wegen der Pandemie war die Nachfrage im ersten Halbjahr 2020 daher zurückgegangen. »Inzwischen stehen weltweit aber die Zeichen auf Erholung«, heißt es beim Edelmetallhändler Ophirum in Frankfurt am Main.
Die Haupteinsatzgebiete von Silber sind industrielle Anwendungen. Das liegt an seinen besonderen Eigenschaften: Silber ist vergleichsweise weich und daher gut formbar, bietet die höchste elektrische Leitfähigkeit aller Elemente und die höchste thermische Leitfähigkeit aller Metalle.
Zukünftig könnte Silber noch wichtiger für die Weltwirtschaft werden, vor allem in der Automobilindustrie. In klassischen Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor werden um die 20 Gramm verbraucht, bei Hybridautos klettert der Wert bereits auf 30 Gramm und bei Elektrofahrzeugen auf bis zu 50 Gramm, rechnet das Silver Institute in Washington vor. In ihrer jüngsten Prognose erwartet die Branchenorganisation allein für 2021 eine um elf Prozent gesteigerte Nachfrage. Dieser Trend werde sich in den nächsten Jahren fortsetzen. Denn auch in der wachsenden Photovoltaikindustrie sei Silber ein begehrter Rohstoff.
In Deutschland wurden 2019 laut Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe 963 Tonnen Silber nachgefragt. Der überwiegende Teil ging in die Elektronik- und Elektrotechnik- sowie in die Photovoltaikbranche. Nur 120 Tonnen wurden für die Herstellung von Münzen und Medaillen verwendet, die Schmuckwarenindustrie setzte 109 Tonnen ein.
Dabei stammt ein Großteil des Edelmetalls aus heimischer Produktion. In Deutschland werden zwar heute nur noch geringe Mengen aus Bergwerken gewonnen, aber große Kontingente fallen als Beiprodukt beim Hamburger Kupferkonzern Aurubis, bei Berzelius Metall in Koblenz und in der Nickelhütte Aue an.
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