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Aufgewühlte Barockkulisse
In Potsdams Mitte kehrt auf den Trümmern der DDR-Architektur ein Stück der alten Residenzstadt wieder
Auswärtige Besucher der brandenburgischen Landeshauptstadt sind bisweilen irritiert, zentrale Bereiche in unmittelbarer Nachbarschaft des Landtags, des Museums Barberini, des Potsdam-Museums und der Nikolaikirche als gigantische Baustelle vorzufinden. Die historische Potsdamer Mitte, deren berühmte barocke Bebauung beim alliierten Bombardement am 14. April 1945 zerstört und nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs mit moderner DDR-Architektur überbaut wurde, ist das derzeit aufwendigste Sanierungsgebiet der Havelmetropole. Längst ist das Schloss in seiner alten Gestalt, wenn auch als Parlamentssitz, wiederaufgebaut. Ansonsten ist von den DDR-Bauten nicht mehr viel vorhanden - vor allem, nachdem vor zwei Jahren an der Friedrich-Ebert-Straße das ehemalige Gebäude der Fachhochschule aus den frühen 1970er Jahren abgerissen wurde. Ein Vorgang, der bei Teilen der Potsdamer auf heftigen Protest stieß.
Am Donnerstag stand das Vorhaben »Potsdamer Mitte« abermals auf der Tagesordnung der Stadtverordnetenversammlung. Es ging um eine Beschlussvorlage der Stadtverwaltung zum weiteren Verfahren bei der Entwicklung des sogenannten Blocks V, auf dem die städtische Wohnungsbauholding ProPotsdam ein Karree mit bezahlbaren Mietwohnungen errichten will. Am Ende kam die Vorlage auf die sogenannte Konsensliste und wurde ohne Debatte zunächst in die zuständigen Ausschüsse überwiesen.
Vertagt wurde damit auch die absehbare Auseinandersetzung um eines der letzten verbliebenen emotionsgeladenen Reizthemen in der langjährigen Auseinandersetzung um die Gestaltung der Potsdamer Innenstadt. Auf dem Areal - betroffen ist das Grundstück Am Alten Markt 10 - steht ein Wohngebäude des in der DDR bis 1978 angelegten Staudenhofs. Es war ein prägendes Element der geplanten »sozialistischen Innenstadt«, die bis 1990 nicht vollendet werden konnte. Und der Vorwurf der Kritiker der laufenden Umgestaltung der Potsdamer Mitte lautet: Man habe den Staudenhof, wie auch das übrige bauliche Erbe aus DDR-Zeiten, bewusst verfallen lassen.
Die Beschlussvorlage diene der »voraussichtlich letzten maßgeblichen Konkretisierung des 2010 auf den Weg gebrachten ›Integrierten Leitbautenkonzeptes‹ für die Entwicklung rund um den Alten Markt«, hieß es in einer Mitteilung der Stadt. Mit dem Beschluss wolle man die Vorgaben für den Block V zwischen Bildungsforum und Am Alten Markt fixieren.
Die Stadt Potsdam plädiert für den Abriss des »Staudenhof-Wohnhauses« und die Neubebauung des Gesamtareals als aus ihrer Sicht einzig wirtschaftlich vertretbare Lösung. Denn es geht um die Schaffung von mehr und größeren Wohnungen. »Der Block V bildet den Schlusspunkt der 1990 beschlossenen behutsamen Wiederannäherung an den historischen Stadtgrundriss in der Potsdamer Mitte«, erläuterte Bernd Rubelt, Beigeordneter für Stadtentwicklung, Bauen, Wirtschaft und Umwelt, die vom Rathaus und damit von Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) vertretene Position. »Zugleich wird deutlich, dass die Ziele der Sanierung sich seither auch stärker auf wohnungspolitische und gesellschaftliche Belange fokussiert haben.«
Ganz so einfach sehen es zumindest Teile der Stadtverordneten aber wohl doch nicht. Ähnlich wie die Fraktion Die Andere setzen sich auch die Linken für eine Bestandsperspektive für den Staudenhof-Wohnblock ein. Wie Potsdams Linksfraktionschef Stefan Wollenberg zu »nd« sagte, habe seine Fraktion daher dieses Thema auch in der mit der SPD im Stadtparlament getroffenen Kooperationsvereinbarung explizit ausgeklammert. »Wir als Fraktion setzen die Priorität auf den Erhalt des Staudenhofs als dem letzten Element von DDR-Architektur in diesem Areal - vor allem aber auch wegen des sozialen Wohnungsbaus«, sagte er.
Aus Wollenbergs Sicht werde die Verwaltungsvorlage ungeachtet aller Einwände am Ende wohl durchkommen. Zumal auch die ProPotsdam in einem Variantenvergleich - Bestandssanierung oder Abriss und Neubau - klare wirtschaftliche Vorteile und 50 Prozent mehr Wohnfläche beim Neubau dargestellt habe. In der Konsequenz bedeute dies Auszug und Abriss. Den verbliebenen Bewohnern - von insgesamt 182 Wohnungen mit durchschnittlich 32 Quadratmetern Wohnfläche soll noch ein Drittel belegt sein - habe die Stadt aber bereits Ausweichquartiere zugesagt. Auch eine Rückkehr in die Neubauten sei denkbar. Ob dies aber allen Bestandsmietern - darunter vor allem ältere Menschen, Studenten und Geflüchtete - finanziell möglich sein wird?
»Wir haben in der Vergangenheit insofern einen Teilerfolg erringen können, als dass die Stadtverordnetenversammlung beschlossen hat, dass das Areal dauerhaft durch die städtische Wohnungsbaugesellschaft entwickelt werden und auch in ihrem Besitz bleiben soll«, sagte Wollenberg. Der Beschluss wurde schon im Jahr 2016 gefasst.
Rufe, Potsdams marode barocke Innenstadt zu erhalten und zumindest Teile der im Krieg zerstörten Stadtmitte wiederaufzubauen, waren schon in der DDR laut geworden. Den 1990 gefällten Grundsatzbeschluss, den historischen Stadtgrundriss zurückzugewinnen, setzt die Stadtverwaltung mit der im »Integrierten Leitbautenkonzept« von 2010 gefällten Grundsatzentscheidung für die Entwicklung um den Alten Markt um.
Den Auftakt bildete der Landtagsneubau in der Hülle des Stadtschlosses zwischen 2011 und 2013. Beispielhaft für einen Neubau an herausragender Stelle in seiner historischen Gestalt ist die Rekonstruktion des Palasts Barberini als Kunstmuseum. Neben dem Barberini tragen auch die Nachbargebäude an der Alten Fahrt zum Alten Markt hin wieder ihre Barockfassaden. Ab 2017 musste die Fachhochschule künftigen Wohn- und Geschäftshäusern weichen. Seit dem Herbst wird zwischen Landtag und Nikolaikirche im südlichen Block III gebaut, im Dezember startete die Grundstücksvergabe für den nördlichen Block IV an der Stadt- und Landesbibliothek. Drei der in beiden Blöcken zusammen entstehenden 29 Gebäude werden historisierend gestaltet. Weitere drei entstehen in der verbürgten äußeren Hülle ihrer Vorgängerbauten, darunter der Plögersche Gasthof an der Friedrich-Ebert-Straße.
Gute Aussicht auf Annahme hatte am Donnerstagabend das weiterentwickelte Konzept für das neue Kultur- und Kreativquartier in der Potsdamer Mitte. Das Quartier auf dem Areal der alten Feuerwache soll zu drei Vierteln gewerblich genutzt werden. Gut zehn Prozent der Flächen soll dem Wohnen dienen.
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